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Medien: Letzter Akt, alles bleibt offen

„Das Jahrhundert des Theaters“ geht zu Ende: Beinahe so, wie es begonnen hat. „Helden der Postmoderne“ heißt das Schlusskapitel der sechsteiligen Kulturweltgeschichte des Theaters (bei 3sat um 20 Uhr 15), und wieder sind es die Regisseure, die klassische Stoffe aufreißen und neu formulieren.

„Das Jahrhundert des Theaters“ geht zu Ende: Beinahe so, wie es begonnen hat. „Helden der Postmoderne“ heißt das Schlusskapitel der sechsteiligen Kulturweltgeschichte des Theaters (bei 3sat um 20 Uhr 15), und wieder sind es die Regisseure, die klassische Stoffe aufreißen und neu formulieren. „Mehr Demokratie wagen“, hieß es bei Willy Brandt – im Theater brachen sich neue Formen Bahn, fielen die letzten Tabus. Peter Zadek, Peter Stein, Klaus Michael Grüber und Claus Peymann hießen die neuen „Helden“ damals, Anfang der Siebzigerjahre: die Väter des so genannten Regietheaters, deren Nachfolger es einmal sehr schwer haben sollten. Erst jetzt, auf dem Berliner Theatertreffen 2002, hat sich die Wachablösung durch eine neue Generation vollzogen.

So reich, so provozierend war Theater selten wie in den letzten drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts. Peter von Becker, Kulturchef des Tagesspiegel und Autor der aufwändigen Dokumentation, zu der im DuMont Verlag ein Materialienbuch erschienen ist, und Fernsehregisseur Matthias Schmidt lassen ein goldenes Zeitalter der Bühne durch den Zeitraffer rasen. Und wieder ist es auch, wie um das Jahr 1900, ein phänomenaler europäischer Aufbruch – mit Ariane Mnouchkines „Théâtre du Soleil“, Peter Brooks multinationaler Schauspieltruppe und dem Amerikaner Robert Wilson, der seine Theatervisionen auf europäischen Bühnen realisiert. Shakespeare ist der große imaginäre Zeitgenosse, so wie es der polnische Theater-Denker Jan Kott formuliert – und dann brechen andere, neue Medien in das Theater ein. Pina Bausch öffnet den klassischen Tanz für theatralische Spielformen, und das Theater entdeckt die Video-Technik für sich.

Der Berliner Mauerfall und der Zusammenbruch der Sowjetunion provozieren auch im Theater eine große Wende. So wie die politischen Paradigmen purzeln, so liegen auch Klassiker und Avantgarde plötzlich in Ruinen – beispielhaft bei Frank Castorf an der Berliner Volksbühne. Das Theater zersplittert, zerbröselt, produziert aggressive Rest-Posten, die sich mit der Clip-Ästhetik der neuen Medien aufladen. Davon war schon die Ästhetik der ersten fünf 3sat-Folgen gekennzeichnet – vom Wechselspiel der Bühne und der Realität im manchmal Atem raubenden Gegenschnitt. Und von der Beschleunigung und Bastardisierung, die das gesamte 20. Jahrhundert durchzog. R.S.

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