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© Arte

Liebes-Drama: Zwei Frauen, schöner leben

„Haus und Kind“, ein ironischer Film über einen Egoisten unter Druck, das neue Liebes-Drama von Regisseur Andreas Kleinert. Hier betrügt jeder von uns sich selbst und den anderen.

Von Caroline Fetscher

Da stehen sie vor dem verwitterten Backsteinhaus in Brandenburg, und seufzen erfreut: „Bestimmt nicht so teuer wie in Bayern!“ Lena und Bernd Neubauer, die Ausflügler aus Berlin, klettern auch gleich hinein ins Objekt der Begierde. Hier könnte man, wie in „Schöner Wohnen“, schöner leben! Schon scheint das Paar weiße Wände und edle Sitzgruppen vor sich zu sehen, schon beginnt der Umbau in Gedanken, als zwischen Staub und Spinnweben eine Alte auftaucht. Die Besitzerin, eine grauhaarige, kinderlose Witwe, wohnt hier noch. Nun, so was lässt sich lösen, kommt man doch aus der Stadt und kennt sich aus. Bald lässt der höfliche Anwalt die alte Frau Maschke Dokumente unterzeichnen, sie erhält Wohnrecht auf Lebenszeit und freut sich auf die nette Gesellschaft an Wochenenden.

Man ahnt nun einen Konflikt voraus zwischen der störrischen Alten im Osten und den beiden Wir-entwerfen-unsselbst-Ästheten aus Berlin. Aber dann geht der Faden mit der Alten ein wenig verloren in der Geschichte des Drehbuchautors Wolfgang Kohlhaase („Sommer vorm Balkon“), denn das Paar (Marie Bäumer und Stefan Kurt) hat andere Probleme. Den Professor treibt die Leidenschaft zu einer Kellnerin (Stephanie Schönfeld) um, Melanie heißt sie, blond und mit Pony. Also bastelt Bernd für Lena Ausreden, um Melanie heimlich treffen zu können, etwa an der Ostsee zum Nacktbaden. Er muss auf eine Dienstreise, geht mal eben schwimmen, das Übliche. Lena wird und wird außerdem nicht schwanger.

Nebenbei werden Paardialoge zitiert, die grelle Alarmzeichen sind: „Wie war dein Tag?“ „Nichts Besonderes.“ „Bei dir?“ „Auch nichts Besonderes.“

Irgendwann kundschaftet die Ehefrau aus, wohin denn der Ehemann „zum Schwimmen“ verschwindet, wie es sein kann, dass der gekachelte, städtische Pool schon mal Sand an der Badehose hinterließ. Die Liebe? „Ob jemand mit diesem Urthema des Lebens frei umgeht, das ist jedem selbst überlassen“, legitimiert sich der akademische Lover. Dass so was für ihn prima klingt, ist ihm anzusehen.

„Haus und Kind“ hat Ambition. Regisseur Andreas Kleinert sucht zunächst mit geradezu ausgestellter Absicht das Allergewöhnlichste, das alte Thema Ehe, Seitensprung, Eifersucht. Aus diesem klassischen Dreieck kann man alles machen, vom Thriller über das Psychodrama bis zur Komödie. „Haus und Kind“ entscheidet sich für die sacht ironische Erzählung, die sich wie en passant auf Details konzentriert, ein wenig Eric Rohmer auf Deutsch. Ohne Handkamera, ohne originelle Charaktere, ohne laute Szenen spaziert die Geschichte vermeintlich leicht vor sich hin, verweilt bei ästhetischen, fast symmetrischen Bildern, etwa des zivilisiert diskutierenden Paares nach der Entdeckung der Untreue. Seine Berliner Wohnung ist in nahezu klinischem Schick eingerichtet, weiße Möbel, Designerküche, makelloses Parkett; kaum ein realer Akademiker würde wohl so steril wohnen, ohne Bücher, Zeitungen und Papierberge. Was die stillen Einstellungen der Kamera, der lakonische Blick auf die heimlichen Leidenschaften bewirken sollen, bleibt offen. Möglich, dass die teils hyperästhetisierten Bilder und Szenen in sich eine weitere Volte der Ironie darstellen sollen, möglich auch, dass sie der Regie ebenso gefallen – oder dass genau das mitreflektiert wurde. Vor allem aber wird es möglich, in dem Nebenfaden der Geschichte, dort wo die verwahrloste Alte und ihr Häuschen ins Visier des Paares geraten, eine Allegorie zu lesen. Hier regiert König Kalkül. Hier betrügt jeder von uns sich selbst und den anderen – spielen dabei nicht auch wir Filmemacher mit?

„Haus und Kind“, Arte, 21 Uhr

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