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Ex- Mafioso Frank Tagliano (Steven Van Zandt, bekannt als Musiker Little Steven).

© Arte

"Lilyhammer": Don Giovanni im Schnee

Erstmals im Free-TV: Arte startet mit „Lilyhammer“ die wahrscheinlich lustigste TV-Serie der Welt. Dabei kommt einem der Mafioso irgendwie bekannt vor.

Steven Van Zandt ist Kummer gewohnt. Der Schauspieler wurde 1975 als Gitarrist der E Street Band von Bruce Springsteen – Spitzname „The Boss“ – bekannt, unter dem Pseudonym Little Steven. Öfter musste er sich des Eindrucks erwehren, gesichtsloser Teil hinter einem Star zu sein, lange bevor sich Van Zandt als Silvio Dante in der Fernsehserie „Die Sopranos“ einen Namen als Schauspieler machte. Mit Springsteen tourt Van Zandt gelegentlich. Und auch von der Mafia kommt er nicht mehr los, wovon man sich ab Donnerstag – erstmals im Free-TV – auf Arte in „Lilyhammer“, einer der wahrscheinlich komischsten Fernsehserien der Welt, überzeugen sollte.

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Lilyhammer? Lillehammer! Als Mittelpunkt einer Qualitätsserie. Und nicht nur das: Lillehammer und die Mafia, darauf muss man erst mal kommen. Als sein Barkeeper und sein Terrier in New York im Kugelhagel niedergemäht werden, ahnt der Mafioso Frank „The Fixer“ Tagliano (Van Zandt): Sein Clan mag ihn nicht mehr. Der Mann im Kaschmirmantel geht mit dem FBI einen Deal ein. Tagliano sagt als Kronzeuge aus und darf ein neues Leben an einem Ort seiner Wahl beginnen.

Ob er auf die Bahamas wolle? Nein, bloß nicht. „Ich will auf meine alten Tage nicht mehr Hautkrebs bekommen. Mir schwebt Lilyhammer vor“, sagt der Mafioso den Beamten. „Erinnern Sie sich an die Olympischen Spiele 1994? Das war doch wunderschön. Klare Luft. Frischer weißer Schnee. Die schönsten Frauen. Und das Beste: Niemand, aber auch niemand wird dort nach mir suchen.“ Ihn zieht es vom Big Apple ins norwegische Städtchen mit seinen 27 000 Einwohnern, 180 Kilometer nördlich von Oslo, am Nordufer des Mjøsa-Sees im Gebirgstal Gudbrandsdalen.

Traurig, aber die Wahrheit

Ein New Yorker Gentleman-Verbrecher im norwegischen Kaff, das eigentlich Lillehammer heißt – das wahnwitzige Joint Venture zwischen dem norwegischen Sender NRK und dem Video-on-Demand-Anbieter Netflix wurde in 130 Märkte exportiert. Es lebt vom transatlantischen Culture Clash. Steven Van Zandt, der am Drehbuch mitschrieb, sieht die Serie auch als Kritik am eigenen Land: „Im Gegensatz zu Norwegen sind die Amerikaner sehr materialistisch eingestellt. In Norwegen gibt es Dinge, die man nicht kaufen kann. In Amerika kriegst du alles, wenn du nur den richtigen Preis nennst. Das ist zwar traurig, aber die Wahrheit.“ Erstaunt notiert der Neuankömmling Tagliano, dass seine Bestechungsversuche bei Polizisten, Politikern, Ämtern zunächst völlig ins Leere laufen. Weil sein US-amerikanischer Führerschein in Norwegen keine Gültigkeit besitzt, muss er Fahrstunden und Verkehrskunde-Unterricht nehmen. Sein Fahrlehrer lässt sich nur widerstrebend auf Vergünstigungen ein. Tagliano muss lernen, dass ein abgetrennter Schafskopf nahe dem Polarkreis als Delikatesse gilt und nicht als Morddrohung. Trotzdem zieht er in Norwegen munter „Geschäfte“ auf und wird, schneller als ihm lieb ist, Vater.

„Wir kennen uns vom Literaturfestival mit Salman Rushdie.“

Das Ganze wirkt so, als ob sich die Macher der „Sopranos“, „Fargo“ und „Two and a Half Men“ ein Wochenende bei einer Flasche Wodka eingeschlossen und munter drauflos fantasiert hätten. Viel Gespür für Komik und Absurditäten. Provinzposse und Weltpolitik. Zitate von Gandhi und Nietzsche, Angst vor islamistischem Terror, Attentätern, Ökosophie und Kindergeburtstag, das alles liegt in „Lilyhammer“ nah beieinander (hat bei 477 Quadratkilometer Fläche aber auch wenig Platz). Trockener Humor, Satire, die vor nichts haltmacht. Schönster Satz: „Wir kennen uns vom Literaturfestival mit Salman Rushdie.“

Mittendrin, ein grandioser Steven Van Zandt als Neu-Norweger „Giovanni Henriksen“, oft am Rande der Überzeichnung gespielt, mal Überraschung, mal Zorn, mal Ekel im Gesicht. Die Mafia habe ihn schon immer fasziniert, sagt er. Aufgewachsen ist Van Zandt in einem italo-amerikanischen Umfeld. Über die Mafia habe er alle Bücher gelesen und Filme gesehen. „Ich glaubte, dass ich diese Rolle irgendwie spielen könnte. Ich weiß nicht warum.“ Viel gemeinsam habe er nicht mit seinen Rollen. Manchmal wünschte er sich, ein wenig mehr wie diese Typen zu sein. „Ich würde geschäftlich viel mehr geregelt bekommen.“ Wenn das der Boss hört.

„Lilyhammer“, erste Staffel in vier Doppelfolgen, jeweils donnerstags, Arte, ab 21 Uhr

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