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Mit Sofa. Roman-Debütant Sepp Bierbichler und Wolfgang Herles (re.). Foto: ZDF

© ZDF

Literatur-TV: Stil und Stahl

„Das Blaue Sofa“: Wolfgang Herles lobt und verreißt in der neuen ZDF-Literatursendung. Zum Start arbeitet sich der Moderator an Josef Bierbichler ab.

Wolfgang Herles hat nicht zu viel versprochen. Er verreißt in seiner Literatursendung „Das Blaue Sofa“, die am Freitagabend im ZDF Premiere hatte, tatsächlich Bücher, und durchaus heftig. „Ein feiges, ein überflüssiges Buch“, so urteilt Herles über Ferdinand von Schirachs am Montag auf Platz drei der „Spiegel“-Bestsellerliste stehenden Roman „Der Fall Collini“. Dabei wandert er gemächlich die Treppen des Landgerichts Berlin herunter, es gibt schließlich Szenen in „Der Fall Collini“, die hier spielen. Und auch von Oskar Roehlers Lebensroman „Herkunft“ hält Herles nichts. Roehler ist für ihn ein „Dilettant“, der „600 Seiten lang einfach nur so dahinplappert“. Das Buch sei voller „Stilblüten“, und von denen hat Herles, jetzt entspannt auf einem Ausflugsdampfer auf dem Starnberger See stehend, ein paar im Angebot. Zum Beispiel: „Ein Arzt drückte seinem Vater schließlich ein Stahlgebiss in die Fresse. Es war das erste Sparkassengebiss der neuen Republik.“

So wie Wolfgang Herles verreißt, erinnert er jedoch mehr an einen Sparkassenangestellten (vielleicht mit Sparkassengebiss?), der sich weigert, einem Hartz-IV-Empfänger einen Kleinkredit zu geben. Die Enttäuschung über die schlechten Bücher steht ihm jedenfalls nicht ins Gesicht geschrieben, die kommt auch in seiner Stimme nicht zum Ausdruck. Emphase geht anders. Und auch bei den Lobfloskeleien („altmeisterlich sprachliche Wucht“, „knappe, elegante Prosa“ ) muss man aufpassen, dass man die nicht verpasst.

Interessanter, besser und ausführlicher sind die Interviews, die Herles führt, wie überhaupt das Konzept der Sendung mit den wechselnden Schauplätzen eine gewisse Lebendigkeit ausstrahlt. Es beginnt mit einem Schwenk über eine Gletscherlandschaft in den Alpen, Herles trifft hier auf dem Gletscher im österreichischen Hintertux Ilija Trojanow, der mit „Eistau“ einen Roman über einen an der Menschheit verzweifelnden Gletscherforscher geschrieben hat. Beide sitzen bei strahlendem Sonnenschein schön telegen in ihren roten Jack-Wolfskin-und North-Face-Jacken auf dem blauen Sofa im Schnee, und Herles entlockt Trojanow das Wesentliche zu seinem Roman. Trojanow ist allerdings ein dankbarer Gesprächspartner. Josef Bierbichler in seinem Garten am Starnberger See ist dagegen eine härtere Nuss. Bierbichler bockt zuweilen, findet manche Frage von Herles schlichtweg nicht beantwortbar. Und er sitzt mit Herles auf zwei Stühlchen vor dem Blauen Sofa, dieses erinnere ihn zu sehr an Talkshows, die könne er nicht leiden. (Vielleicht ist ihm das biedermeierlich anmutende Sofa auch einfach zu spießig). Herles jedenfalls freut sich darüber und verweist darauf, dass seine Sendung „garantiert“ keine Talkshow sei.

Aber was ist sie? Eine moderne Literatursendung mit einem Moderator, der nun einmal kein Reich-Ranicki ist oder die Power einer Elke Heidenreich hat. Eine Sendung, die sich zweimal zehn Minuten Zeit für einen Autor und sein neues Buch nimmt, immerhin. Und die diese fürs Fernsehen untypische Länge durch den Verzicht auf ein Studio aufzufangen versucht. Herles und das blaue Sofa auf dem Gletscher, Herles in der Seilbahn, im Landgericht Berlin, vor der JVA Moabit (für Ursula März’ Fallgeschichten „Fast schon kriminell“) und am Starnberger See, dazu, immer wieder etwas störend und overdone, Einblendungen aus dem Archiv, um die Handlung der Bücher zu illustrieren. Ja, warum nicht? Zumindest lenkt das unterschiedliche Ambiente kaum von der Literatur ab. Dafür sorgt allein der sachliche, wahrlich unaufgeregte Wolfgang Herles. Ob es funktioniert? Das werden die Einschaltquoten zeigen – und, fürs ZDF vermutlich noch wichtiger, ob die besprochenen Bücher es auf die Bestsellerlisten schaffen. Von Schirach wiederum, das aber ist sicher, wird trotz des Herles-Verrisses kein Buch weniger verkaufen. Gerrit Bartels

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