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Medien: LOKALE HELDEN

Die besten Geschichten sollen einer alten Journalistenweisheit nach auf der Straße liegen, direkt vor der eigenen Haustür. Das will sich der hyperlokale Journalismus zunutze machen: Online-Zeitungen, die über und für eine Region berichten, einen bestimmten Bezirk oder auch nur einen einzelnen Kiez.

Die besten Geschichten sollen einer alten Journalistenweisheit nach auf der Straße liegen, direkt vor der eigenen Haustür. Das will sich der hyperlokale Journalismus zunutze machen: Online-Zeitungen, die über und für eine Region berichten, einen bestimmten Bezirk oder auch nur einen einzelnen Kiez. Der große Vorteil liegt dabei in der Exklusivität, denn nicht nur überregionalen, sondern auch lokalen Blättern fehlen oft die Kapazitäten, um wirklich jeden Winkel einer Großstadt auszuleuchten.

Allerdings sind schon zahlreiche Projekte gescheitert, bei denen traditionsreiche Zeitungen auf den hyperlokalen Zug aufspringen wollten. Das „Hamburger Abendblatt“ setzte freiwillige Stadtteilreporter als Blogger ein, eine ähnliche Idee hatte die „New York Times“. Beide Versuche wurden schnell abgebrochen. Noch aufsehenerregender – zumindest für den US-Markt – waren die Probleme der 2010 gestarteten Plattform tbd.com. Bis zu 50 fest angestellte Journalisten und dreimal so viele Blogger sollten Lokalnachrichten fürs Land aufbereiten und moderieren. Ein Multimedia-Konzern, der sonst lokale TV-Sender betreibt, finanzierte die groß angelegte Plattform. Schon nach sechs Monaten waren die meisten Mitarbeiter arbeitslos.

Einen Überblick über die sehr verschiedenen hyperlokalen Webseiten im deutschsprachigen Netz zu behalten ist schwer, ihr Niveau unterscheidet sich zum Teil ebenso beträchtlich wie ihre finanzielle Ausstattung – die meisten dieser Seiten funktionieren nach wie vor nach dem Prinzip der enthusiastischen Selbstausbeutung. Hardy Prothmann, der das Netzwerk istlokal.de aus seinem lokaljournalistischen, vielfach gelobten „Heddesheimblog“ heraus gründete, beschreibt seine finanzielle Situation offen auf seiner Seite: „Mein bester Monat 2012 brachte rund 10 000 Euro Umsatz, der schlechteste genau Null. Die Personalkosten liegen bei rund 3000 Euro.“

Die Online-Zeitung „Prenzlauer Berg Nachrichten“ mit ihren monatlich circa 20 000 Unique Usern, also Besuchern, hat im vergangenen Jahr laut Philipp Schwörbel „noch einen kleinen Verlust“ eingefahren, für 2012 ist der Geschäftsführer zuversichtlich, ein ausgeglichenes Ergebnis zu erzielen. Ein Gehalt gönnt sich Schwörbel bislang nicht. Auch fest angestellte Mitarbeiter haben die „Prenzlauer Berg Nachrichten“ keine, die meisten Journalisten schreiben auch für andere Medien und werden auf Tagesbasis entlohnt. Einnahmen werden mit klassischen Anzeigen und mit einem Partnerprogramm für kleine Lokalunternehmen generiert. Außerdem zahlen Leser, die Mitglied in einem „Freundeskreis“ sind, jährlich einen Betrag, dessen Höhe sie selbst festlegen.

Eine Rolle spielt die Hyperlokalität auch für den „Liquid Journalism“. Dieser ist bislang eher eine in Blogs diskutierte Idee als ein angewandtes Modell. Gemeint ist, dass Journalisten durch die Interaktion mit fleißigen Kommentatoren und lokalen Experten ihre Inhalte neu bewerten, ausbalancieren und in ständigen Austausch treten. Der Journalist würde damit zu einem allzeit vernetzten Moderator des öffentlichen Diskurses, der Teile seiner bisherigen Pflichten an Nutzer delegiert und zwischen verschiedenen Interessen sowie „Bürgerjournalisten“ vermittelt. Wie diese Art von Journalismus allerdings Geld einbringen soll, ist bislang nicht geklärt. Einer der Vorschläge ist die Kulturwertmark, eine für alle Netznutzer verpflichtende Abgabe, die über die Internetrechnung eingezogen wird. Nik Afanasjew

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