zum Hauptinhalt

Lust und Leben: Orgasmus ist Menschenrecht

Beate Uhse war Aufklärerin und Sex-Unternehmerin. Franka Potente spielt sie im Sonntagsfilm des ZDF.

Kaum zu glauben, dass es mal so verklemmt zugegangen ist in deutschen Landen: Sex fand im Dunkeln statt und Drüberreden war tabu. So hält es auch der Pfarrer, der kurz nach dem Krieg die junge Beate Uhse, Flüchtling aus dem Osten, in sein Flensburger Haus aufnimmt. Doch die Dame denkt anders. Da sind nicht nur die Ehefrauen, die auf keinen Fall in diese Nachkriegszeit mit ihrer Mangelwirtschaft ein Kind setzen wollen, aber nicht wissen, ob und wie sie verhüten können; da sind die jungen und auch älteren Paare, die dem Pfarrer glauben und sich ihres Verlangens, ihres Lustgefühls schämen.

Das darf nicht sein, sagt sich die unerschrockene Beate, gelernte Pilotin übrigens, die das sexuelle Elend um sich herum nicht erträgt und Abhilfe schafft - durch Aufklärung in Rundbriefen und Infoheften sowie durch persönliche Antworten auf all die Post, die bei ihr eingeht. Der Pfarrer wirft sie aus dem Haus. Beate, ihr kleiner Sohn und ihr Freund suchen neues Quartier. Sie lassen es sich nicht verdrießen, denn sie wissen jetzt, was sie zu tun haben. Uhse ist ihrer Zeit voraus, weder der Pfarrer kann sie einschüchtern noch der Staatsanwalt, der sie wegen Unzucht nach §184, ein Gesetz aus der Kaiserzeit, ein ums andre Mal drankriegen will. Am Ende siegen die Frau, die Aufklärung und der neue Hedonismus der sechziger Jahre. Beate Uhses kleiner Versand mausert sich zu einem Großunternehmen.

Wer sich für dieses Stück Chronik der jungen Bundesrepublik interessiert, ist mit dem Film „Beate Uhse – Das Recht auf Liebe“ gut bedient. Nicht nur der Ungeist alter Zeiten wird beschworen und scheint auf in seiner beklemmenden Freudlosigkeit, auch wie es damals in Stadt und Land so aussah, ist treulich rekonstruiert: die Ruinen, der Wiederaufbau, die Tapeten, die Frisuren – die Älteren erkennen es wieder und die Jüngeren sehen es neu: die Armut und der Muff und dann der Aufbruch in den Sechzigern. Aber wer ein packendes Biopic erwartet mit einer Hauptfigur, die ordentlich einstecken muss, als Unternehmerin und als Frau, der könnte enttäuscht werden.

Denn die Filmerzählung bleibt plakativ, vordergründig und konventionell. Franka Potente als Beate Uhse ist und bleibt das Stehauffrauchen ohne Furcht vor dem Absturz, Hans-Werner Meyer als ihr Mann Ewe (Abkürzung von Ernst Walter) Rotermund ist und bleibt das egoistische Weichei mit Charme, aber ohne Ehrgeiz, und Sylvester Groth als verfolgender Staatsanwalt Volke nimmt manchmal sogar Zuflucht zum Gesichterschneiden, so wenig Abwechslung bietet ihm seine Rolle. Dialogzeilen wie: „Kannst du nicht einmal versuchen, mich zu verstehen?“ stoßen den Zuschauer weniger auf die Grenzen, an die das Paar Beate/Ewe mit seiner Beziehung gestoßen ist, als vielmehr auf Grenzen, die sich die Macher (Buch: Timo Berndt, Regie: Hansjörg Thurn) bei diesem Sonntagsfilm gezogen haben. Einzig Henry Hübchen als Uhses Anwalt Tauber vermag für seine Figur tiefer zu interessieren. Die anderen bleiben Puppen, bunt zwar, aber nicht wirklich lebendig. Uhse erzählt die Geschichte ihres Lebens zu Beginn der siebziger Jahre Jeff, einem neuen Freund, mit dem sie später glücklich wird. Vielleicht war die Entscheidung für diese Form der Rahmenerzählung schon die falsche. Die Szenen der Rückblende erscheinen wie Zitate, gedrängt, pointiert, so dahinerzählt. Die Hauptfigur, unverwüstliche Geschäftsfrau und Erotikerin, die sie ist, schreitet durch die Geschichte als jemand, die den Ausgang kennt, und vielleicht liegt hier der filmische Spannungsmangel bei einem doch wirklich außergewöhnlichen Stoff.

Im Übrigen ist der Titel: „Das Recht auf Liebe“ programmatisch unpassend. Es ging der Uhse nicht um Liebe, sondern um Sex. Dass es sich hierbei um zweierlei handeln kann, hat neben anderen sie, Beate Uhse, der jungen Bundesrepublik ins Bewusstsein gedrückt, das ist eines ihrer historischen Verdienste und auch der letzte Grund für den Skandal, der sie war.

„Beate Uhse – Das Recht auf Liebe“, ZDF, 20 Uhr 15

„Beate Uhse – Sex made in Germany“. ZDF, 22 Uhr 05

Zur Startseite