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Ansichtssache. Rund 17 800 Nutzer klickten auf der Facebook-Seite des „Zeit-Magazin“s mit dem skurrilen Schneehasen den Button „Gefällt mir“.

© Tsp

Lustige Fotos statt schlauer Texte: Wie „Süddeutsche“ und „Zeit“ auf Facebook um Aufmerksamkeit buhlen

Überkritische Internetnutzer sehen schon den Niedergang der deutschen Qualitätsmedien heraufziehen, wenn die Redaktionen lustige Bilder statt schlauer Texte posten. Blogger Sascha Lobo hält dagegen: In den Sozialen Netzwerken gehört ein bisschen "Quatsch" einfach zum guten Ton.

Die Startseite eines jeden Facebook-Mitglieds mutet an wie eine bunte Litfasssäule. Freunde können hier ebenso eine Nachricht hinterlassen wie Unternehmen. Ein Bild fiel in diesem Zusammenhang kürzlich besonders auf. Es zeigt etwas Schnee in der Form eines Hasen auf einem Baum. Egal ob man diese Konfiguration als Umarmung oder, wie mancher Nutzer, als Triebabfuhr deutete, die Netzgemeinde findet das Bild mit dem Hasen lustig. Rund 17 800 Nutzer klickten bei Facebook den Button „Gefällt mir“, knapp 8600 „teilten“ das Bild mit ihren Freunden. Gepostet, ins soziale Netzwerk gestellt, hatte es das renommierte „Zeit-Magazin“. Nur: warum?

Im Rahmen eines mehrwöchigen Konkurrenzprojekts von „Zeit“ und „Süddeutscher Zeitung“ versuchten die Magazine beider Häuser, erfolgreichere Facebook-Beiträge als der jeweils andere ins Netz zu stellen. Besagtes Schneebild verschaffte dem „Zeit-Magazin“ einen Klickrekord innerhalb des sozialen Netzwerks. Auch andere Zeitungen und Magazine, zum Beispiel Spiegel Online, nutzen lustige Bilder und Videos, um online mit ihren Anhängern zu kommunizieren. Die Interaktionen im Internet führen vor Augen, welche Beiträge beim Publikum für Gesprächsstoff sorgen. Der „Spiegel“-Link zum Bericht über die „Schicksalswahl in Katalonien“ etwa „gefällt“ 67 Nutzern, der nebenstehende Tippfehler einer Zeitung dagegen 7200.

Überkritische Internetnutzer sehen darin bereits den Niedergang der deutschen Qualitätsmedien. „Ich mag euch ja, aber wie wäre es mit etwas Aktuellem?“, wird dann etwa gefragt. Optimistischer ist Blogger Sascha Lobo. Er hält dagegen, dass es im Netz ohne „Quatsch“ gar nicht ginge: Dieser halte den Informationsfluss im Gange und bilde so „die Grundlage der digitalen Kultur“, schrieb er in Spiegel Online. Welche Strategien stecken hinter den Facebook-Auftritten der Zeitungen? Juliane Leopold, Social-Media-Redakteurin bei Zeit Online, sagt, es sei richtig, dass der Strom der Nachrichten online nie abreißen dürfe. „Die Frequenz muss da sein, um den Fans etwas Neues zu bieten.“ Man dürfe dabei nicht die Seriosität aufs Spiel setzen.

Auch der Tagesspiegel ist in den Sozialen Netzwerken unterwegs.

Der Tagesspiegel hat 2009 begonnen, in Facebook auf besondere journalistische Stücke hinzuweisen, doch schon bald danach wurde der Rückkanal von den Facebook-Nutzern zur Redaktion ausgebaut. Für 2013 plant der Tagesspiegel einen Neustart seiner Facebook-Präsenz: „Wir haben zwar schon 12 000 Fans, doch wir können zum Beispiel bei den Debatten sicher noch zulegen. So hoffen wir, noch stärker von Anregungen und Kritik profitieren zu können“, sagt Markus Hesselmann, Redaktionsleiter Online.

Die Seriosität sieht Christoph Amend durch den Schneehasen nicht gefährdet. Der Chefredakteur des „Zeit-Magazins“ sagt: „Der deutsche Journalismus wird von Humor nicht gerade erdrückt. Gelegentliche Auflockerungen können da nicht schaden.“ Tatsächlich unterscheiden sich die Facebook-Auftritte von „Zeit-Magazin“ und Zeit Online sehr, sie werden unabhängig voneinander betrieben. Auf beiden Kanälen soll zu Diskussionen angeregt werden. Zwar sei die Kommunikation im Netz bisweilen „spontan, fast anarchisch“, wie Leopold sagt, seriöse Debatten schließe das jedoch nicht aus.

Darüber hinaus soll den Lesern eine Identifikationsfläche geboten werden. Gemeint ist „shareable content“ wie Fotos oder kurze Statements – Beiträge, die prädestiniert sind, besonders oft geteilt zu werden. Die Hoffnung: Wer sein virtuelles Profil anhand der Mitteilungen der Zeitung schärft, bindet sich gleichzeitig auch als Kunde an die Marke.

Auch die „Süddeutsche“ richtet sich über mehrere, unterschiedlich ausgerichtete Profile an ihre Onlineleser. „Jeder Nutzer hat ein anderes Facebook und jeder unserer Kanäle funktioniert anders“, sagt Dirk von Gehlen, zuständig für Social Media bei der „SZ“. “ Die Redakteure nutzen das Netzwerk zudem, ebenso wie Twitter, verstärkt zur Recherche, sagt von Gehlen.

Insgesamt lesen immer mehr Facebook-Mitglieder die Profilseiten von Zeitungen. Zeit Online (122 000 Fans), „Zeit-Magazin“ (114  000), Spiegel Online (260  000) oder „SZ-Magazin“ (87 000) können auf steigenden Zuspruch verweisen. Die „Frankfurter Allgemeine“ erreicht rund 55 000 Fans, von den genannten Medien setzt sie in ihren Beiträgen am stärksten auf Verweise zur eigenen Webseite. Für Zeit Online hingegen sind die Verweise auf die Hauptseite zeit.de nur ein Teil der Facebook-Aktivität: „Facebook ist keine Linkabwurfstelle, um Traffic zu gewinnen. Wir sind dort zu Gast“, sagt Juliane Leopold: „Außerdem stehen wir dort nicht nur in Konkurrenz zu anderen Medien, sondern auch zu großen Unternehmen und den Freunden der Nutzer.“ Der Hase scheint allen gefallen zu haben.

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