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Medien: „Machowahn entsteht“

Sind die Schüsse von Coburg die Folge von Medienverwahrlosung?

CHRISTIAN PFEIFFER ist Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen. Der 59jährige Wissenschaftler beschäftigt sich insbesondere mit Fragen der Jugendkriminalität. Foto: ddp

Am Mittwoch hat ein 16-jähriger Schüler in Coburg auf Lehrerinnen geschossen und sich anschließend selbst getötet. Der Hintergrund für die Tat ist noch unklar. Am selben Tag veröffentlichte das Bundeskriminalamt eine Studie über die Gewaltbereitschaft von Jugendlichen. Danach bedrohen und drangsalieren etwa fünf Prozent der deutschen Schüler regelmäßig ihre Mitschüler, ein Prozent davon greife auch zu Waffen. Der Kriminologe Christian Pfeiffer, Leiter des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen e.V., sieht als eine Ursache für die Gewaltbereitschaft von Jugendlichen die zunehmende Medienverwahrlosung.

Sie sagen, dass viele Jugendliche „medienverwahrlost“ sind. Was genau meinen Sie damit?

Damit meine ich vor allem den Medienkonsum von Jungen. Ein Fünftel der männlichen Jugendlichen ist heute auf einem problematischen Trip. Sie sehen sich mehrfach in der Woche jugendgefährdende Filme an, etwa Horrorfilme, die erst ab 18 Jahren freigegeben sind. Die sehen sie sich nach 23 Uhr im Fernsehen an oder sie laden sie sich aus dem Internet. Zudem spielen diese Jungs oft gewalttätige PC-Spiele. Der tägliche Konsum solcher Filme und PC-Spiele kann dazu führen, dass ein Machowahn entsteht. Der letzte Kick ist, die Machohelden – etwa aus den Computerspielen – nachahmen zu wollen.

Wird denn jeder Jugendliche, der viel Gewaltfilme sieht, zu einem Gewalttäter?

Nein, nur ein kleiner Prozentsatz ist hochgefährdet. Die meisten Jugendlichen können damit umgehen, dennoch ist eine häufige Folge des regelmäßigen Konsums von Gewaltfilmen und PC-Spielen, dass die schulischen Leistungen schlechter werden. Die Jugendlichen können sich einfach schlechter konzentrieren. Hirnforscher haben herausgefunden, dass Gewaltexzesse eine solche emotionale Wucht haben, dass dadurch das Kurzzeitgedächtnis gestört wird. Somit können sich die Schüler schlechter konzentrieren. Wer zum Beispiel nachmittags Vokabeln lernt und sich danach einen Horrorfilm ansieht, der hat abends das meiste wieder vergessen. Das belegen auch vergleichbare Studien aus den USA. Die Folge sind Einbrüche in den schulischen Leistungen, die wiederum führen dann sie dann eher auf die Verliererseite. Das führt zu Frust. Insbesondere Jungen sind dann gefährdet, in die Kriminalität abzugleiten.

Und was ist mit Mädchen?

Mädchen sind da nur zu einem sehr kleinen Anteil gefährdet. Sie schauen sich lieber Daily Soaps an. Und die haben nicht so einen Einfluss auf das Lernen wie Gewaltfilme.

Welche Maßnahmen sollte man Ihrer Meinung nach gegen die Medienverwahrlosung ergreifen?

Wir haben in einer Studie mit 700 Jugendlichen aus Braunschweig herausgefunden, dass 70 Prozent der Zwölf- bis 17-Jährigen einen eigenen Fernseher in ihrem Zimmer haben. Ebenso haben viele Zugang zu einem Computer. Über die Hälfte der Eltern kontrolliert nicht, was ihre Kinder sich ansehen. Die unkontrollierte Nutzung eines Fernsehers ist meiner Meinung nach hochgefährlich, gerade bei den Jugendlichen, die sonst keine Hobbys haben. Wer hingegen in der Freizeit viel Zeit mit Freunden verbringt, zum Beispiel Sport treibt, ist weniger gefährdet.

Die Fragen stellte Alva Gehrmann.

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