zum Hauptinhalt

Medien: Macht Macht schön?

Woran es liegt, dass in den Medien zurzeit nur vorteilhafte Bilder von Angela Merkel zu sehen sind

Am Tag nach Angela Merkels Kür zur Kanzlerkandidatin erlebte Deutschland – gleichsam am Frühstückstisch – einen Imagewandel, wie er dramatischer und gleichzeitig subtiler nicht vorstellbar ist. Kohls Mädchen hatte alles ossihaft Trutschige, alles verhärmt Grämliche verloren; sie war vom hässlichen Entlein zum Schwan geworden, in Hamburg genauso wählbar wie in Halle.

Man war geneigt, an irgendeine höhere Instanz zu glauben; so eine Art demokratischer Propagandazentrale, die alle Redaktionen der Republik – von der „Bild“-Zeitung bis zur „Tagesschau“ – angewiesen hatte, nur dieses eine Motiv der Kandidatin zu veröffentlichen: Angie in Apricot vor blauem Hintergrund und mit glückseligem Lächeln.

Damit eine solche Metamorphose geschehen kann, müssen drei Dinge zusammenkommen: die Sehnsucht des Wahlvolks nach einer Lichtgestalt, eine ausgefeilte Inszenierung und Medien, die sich der unsichtbaren Regie ihrer eigenen Systemlogik unterwerfen.

Über die Sehnsucht nach einer Lichtgestalt in Zeiten der Unübersichtlichkeit und Existenzangst muss man nicht weiter diskutieren. Die Position der Lichtgestalt ist hier zu Lande vakant; Joschka Fischer ist – wie die „Bild“ konstatierte – zu fett, Harald Schmidt wirkt ausgebrannt und Michael Ballack scheint noch nicht so weit. Die Neuwahlen im September bieten die Chance, den Posten in demokratischer Wahl zu besetzen; einzige Prätendentin ist Angela Merkel.

Die hatte in den vergangenen Wochen offensichtlich intensiv an Ihrem Styling gearbeitet: die Frisur irgendwie luftiger, dabei aber nahe genug am alten Schnitt, um Treue sich selbst gegenüber zu demonstrieren; das Make-up perfektioniert, aber nicht glamourös; dazu eine dezente Halskette, die demonstriert: „Seht her, ich gönne mir durchaus ein bisschen persönlichen Luxus!“

Im Marketing würde man das Ganze als „behutsame Modernisierung der Marke“ bezeichnen, um neue Käuferschichten zu erschließen, ohne die alten Käufer zu verprellen. Ergebnis der Styling-Bemühungen: Die Personenmarke Merkel ist aufgefrischt, die Basis für eine Neuinszenierung geschaffen.

Betrachtet man die fotografischen und filmischen Ergebnisse der Inszenierung, so erkennt man: Auch Hintergrundgestaltung und Kameraperspektive sind alles andere als zufällig. Der monochrome Hintergrund spannt sich wie ein strahlender Himmel in sattem Blau; kein Detail, kein Schriftzug lenkt die Aufmerksamkeit von der Kandidatin weg. Dieser blaue Himmel ist – nach all dem Hickhack um so komplizierte Dinge wie Hartz IV oder Gesundheitsreform – gleichsam ein Sinnbild für die Sehnsucht des Wahlvolks nach Schlichtheit und Eindeutigkeit.

Die Farbwahl Blau für den Hintergrund birgt mehrere Signale. Blau steht in der volkstümlichen Farbsymbolik für Treue, Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit. Angela Merkel hat im ersten Interview nach der Kür genau diesen Akkord angeschlagen: „Ich will Deutschland dienen. Dazu gehört Mut zur Ehrlichkeit.“

In der religiösen Symbolik hat Blau weitere Bedeutungen: Es verweist auf Gott, auf den Himmel, den Glauben und die Offenbarung. Dazu passt der nach oben gerichtete Blick, den Angela Merkel an diesem Tag so oft zeigt. Verstärkt wird dieser Effekt durch die Perspektive, die die meisten Fotografen wählen: leicht von unten. Das gibt dem Gesicht etwas Straffes, Energisches und Optimistisches.

Ohne die Hilfe der Medien aber bleibt auch jede noch so gute Inszenierung ohne Resonanz. Wie kommt es, dass die etwa 50 Fotografen, die am Montag im Konrad-Adenauer-Haus waren, so ähnliche Motive an die Agenturen und Redaktionen schicken? Warum wählen die Fotoredakteure der unterschiedlichsten Zeitungen aus vielen hundert Fotos genau diese Bilder aus?

Einer der Fotografen vom Montag hat dafür eine einfache Erklärung: „Ich passe mich bei meinen Motiven und meiner Bildauswahl der vorgefundenen Stimmung an. Meine Auftraggeber würden es nicht verstehen, wenn ich an einem solchen Tag ein Merkel-Foto mit heruntergezogenen Mundwinkeln schicken würde.“

Michael Geffken

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false