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Rückwärts immer. Margot Honecker zweifelt nicht am Arbeiter- und Bauernstaat.

© dpa

Margot Honecker: Die Frau mit dem Panzer

Starrsinnig und gefühlskalt: Ein eindrucksvolles Interview in der ARD-Dokumentation "Der Sturz" zeigt, wie die 84-jährige Margot Honecker immer noch die DDR verklärt.

Dass er mit Margot Honecker sprechen durfte, sagt Eric Friedler, war Reporterglück. Der preisgekrönte Dokumentarfilmer („Das Schweigen der Quandts“, „Ageth“) hatte schon lange eine Interviewanfrage bei der einst mächtigsten Frau der DDR laufen. Diese lehnte jedoch seit ihrer Ausreise 1992 nach Chile jedes Gespräch mit den Medien ab. Vergangenes Jahr lud sie Friedler dann überraschend in ihr Haus nach Santiago de Chile ein. An drei Tagen interviewte der 40-jährige NDR-Mann die Witwe des 1994 verstorbenen DDR-Regierungschefs Erich Honecker. Außerdem unternahm man einen gemeinsamen Bummel durch die chilenische Hauptstadt.

Alle Fragen waren erlaubt, informiert Friedler zu Beginn seines 90-minütigen ARD-Films „Der Sturz – Honeckers Ende“. Er zeigt eine rüstige, gebräunte, gut aufgelegte und zynisch-starrsinnige 84-Jährige, deren Denken und Fühlen immer noch in der hermetischen Welt des SED-Zentralkomitees gefangen zu sein scheint. „Da habe ich einen Panzer“, sagt Margot Honecker, konfrontiert mit dem Schicksal eines ehemaligen Häftlings des Jugendwerkhofs Torgau, einer Menschenzurichtungsanstalt, für die sie als Bildungsministerin verantwortlich war. Zu den Toten an der deutsch-deutschen Grenze fällt ihr ein: „Die brauchten ja nicht über die Mauer zu klettern.“ Margot Honeckers Rückschau ist kalt, ihre Sprache erstarrt. Es gab die DDR, die für „Frieden, Gesundheit, Perspektiven“ sorgte. Und es gab „die Feinde“, die bekämpft werden mussten. Der Schießbefehl? Eine „Waffengebrauchsbestimmung“.

Wer nun aber das Psychogramm einer Mittäterin der zweiten deutschen Diktatur im 20. Jahrhunderts erwartet, wird enttäuscht. Friedler nutzt Ausschnitte seines Interviews sowie eine Vielzahl anderer Gespräche mit historischen Akteuren, um die letzten, dramatischen Tage des Diktatoren-Ehepaars auf deutschem Boden zu rekonstruieren. Dazu braucht er einen langen Anlauf, und man muss die ersten, raunenden Minuten dieses Films mit bis zur Peinlichkeit dramatisierender Musik überstehen, um eine Episode des Untergangs der DDR spannend, wenn auch filmisch konventionell, geschildert zu bekommen.

Wie war Honecker als Mensch? Seine Frau erinnert sich.

Friedler gelingt dabei ein Kunststück: Er verdeutlicht die Verantwortung der Honeckers für das Unrecht in der DDR und schafft gleichzeitig ein Gefühl für die persönliche Tragödie, die der tiefe Fall für das Ehepaar bedeutet haben muss. Archivaufnahmen zeigen, wie ein stolzsteifer Honecker noch 1987 von Bundeskanzler Helmut Kohl mit allen militärischen Ehren empfangen wird. Dann aber folgen die Feiern zum 40. Jahrestag der DDR Anfang Oktober 1989, bei denen die Jugend dem Reformer Gorbatschow zujubelt. Erich habe sich nichts anmerken lassen, erinnert sich Margot Honecker, er sei ein emotional verschlossener Mensch gewesen.

Mitte Oktober wurde Honecker dann entmachtet, der Korruption, des Amtsmissbrauchs und des Hochverrats angeklagt. Sein Konto wurde gesperrt, das Haus in Wandlitz musste er räumen. Krebskrank wurde Honecker in die Charité eingeliefert. Dort verhaftete man ihn und ließ ihn nach einem Tag wieder frei. Doch wohin nun? „Er war der berühmteste Obdachlose der DDR, wahrscheinlich auch der einzige“, sagt der ehemalige Polizeioberstleutnant trocken, der Honecker damals verhörte.

Es folgt die vielleicht beste Sequenz des Films, mit der Frage, ob man Honecker aufgenommen hätte. Gregor Gysi: Sicher nicht. Egon Krenz: Habe darüber nachgedacht. Rainer Eppelmann: Zum Glück hat mich keiner gefragt. Dass man das Mitleid mit Diktatoren nicht übertreiben müsse, kommentiert ein wie immer herrlich selbstgefälliger Helmut Schmidt, der seine Geringschätzung für den intellektuell unterlegenen Honecker nicht verbirgt.

Asyl fanden die Honeckers schließlich für zwei Monate bei dem evangelischen Pastor Uwe Holmer in Lobetal bei Bernau. „Der Feind in meinem Haus“, sagt Holmer, „eine ungewöhnliche Wohngemeinschaft“. Seinen Kindern war das Abitur von eben jenem Apparat verweigert worden, dem Margot Honecker vorsaß. Nun lebte sie in einem Zimmer unterm Dach: 30 Quadratmeter, eine Kochnische, zwei Koffer. Doch Honecker hat bis heute kein Dankeswort für Holmer übrig. Dabei schützte der Pfarrer das Ehepaar vor wütenden Dorfbewohnern, die mit Stricken vor dem Haus standen. „Erst schreien alle Hurra, dann schreien alle pfui“, sagt Margot Honecker dazu. Aber man habe ja gewusst, wie eine Konterrevolution abläuft.

Nach einer Odyssee über Moskau und erneut Berlin landete Erich Honecker schließlich in Chile. Dort kaufte er mit seiner Frau ein Haus. Darin sitzt Margot Honecker nun und sagt: „Die haben sich geirrt, nicht wir.“

„Der Sturz – Honeckers Ende“, ARD, 21 Uhr

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