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Medien: Mauern einreißen – auf die sanfte Tour

Kaum gewählt, muss die RBB-Intendantin Dagmar Reim vielen Erwartungen gerecht werden

Dagmar Reim, die Direktorin des NDR-Landesfunkhauses in Hamburg, hat sich gegen WDR-Fernsehchef Ulrich Deppendorf durchgesetzt: Sie bekam 13 Stimmen im ersten Wahlgang, 14 im zweiten, 17 im dritten. Schließlich wurde sie mit 21 Stimmen, das ist die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit, zur Gründungsintendantin des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB) gewählt. Der Rundfunkrat hatte tatsächlich die Wahl: Deppendorf hätte es gekonnt, Reim kann es. An den Spitzenkandidaten zeigt sich die Attraktivität der Aufgabe, aus SFB und ORB eine neue ARD-Anstalt zu formen. Kaum gewählt, hatte Dagmar Reim schon die ortsüblichen Forderungen auf dem Tisch. Die Gewerkschaft ver.di verlangte, dass die freien Mitarbeiter der Sender nicht zum Opfer der Fusion werden, Ministerpräsident Platzeck und Berlins Regierender Wowereit verbanden ihre Gratulation mit der Erwartung, dass „die Fusion der Sender ein weiterer wichtiger Schritt zur Einheit zwischen Ost und West und dem Zusammenwachsen unserer beiden Länder ist“.

Die egoistischen Interessen sind formuliert, orientieren muss sich Reim an den Erwartungen der Finanziers, der Gebührenzahler. Wenn der SFB vom Publikum geschätzt wird, dann wegen seiner „Abendschau“ bei SFB 1 oder der Radiowelle 88’ 8, der ORB wegen „Brandenburg aktuell“ im ORB-Dritten oder der Antenne Brandenburg. Die Organisation der Programmleistungen kann den Nutzern herzlich egal sein. Sie werden in diesem Jahr mehr als 320 Millionen Euro an SFB und ORB, also an den RBB überweisen. Die amtierenden Senderchefs bekräftigten wieder und wieder, wie überaus gesund die Anstalten seien – und erst der RBB!

Tatsache ist, dass die neue Anstalt mit Wegfall der ARD-Alimente an den SFB über ein paar Millionen Euro weniger verfügen wird. Mit Geld werden sich die Erwartungen nicht einlösen, die Probleme der Fusion nicht lösen lassen. Reim kommt vom NDR, Deppendorf ist Mitarbeiter des WDR. Wer in diesen reichen ARD-Sendern arbeitet, der hat lernen dürfen, dass Probleme so lange mit Geld zugeschüttet werden, bis die Probleme ersticken. Beim RBB geht das nicht. Reim ahnt das, jedenfalls sagt sie, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk keine „gesellschaftliche Insel“ sein könne, wo Zahl und Art der Arbeitsverhältnisse auf ewig fortbestünden. Das ist sehr zart formuliert. Dahinter steht die Operation, zwei Sender nicht in eine Zwei-Sender-Anstalt, sondern in eine einzige Sende-Anstalt für zwei Länder zu transformieren. Der RBB als ARD-Muster für den Weg von der Behörde zum Medienunternehmen: Etwas Neues, ein „Aliud“ muss etabliert werden. Reim ermuntert und beschwichtigt: Im Dialog will sie eine „Aufbruchstimmung“ unter den 1700 fest angestellten Mitarbeitern schaffen, damit eine Fusion „ohne Verlierer“ gestaltet wird. Eine genauere Arbeitsskizze vor ihrem Amtsantritt am 1. Mai verweigert sie, „vollmaulige Ankündigungen“ mag sie nicht.

Beim Hörfunk, bisherige Domäne der„Radiofrau“ Reim, gibt es den RBB bereits. Eigene und kooperierte Programme von SFB/ORB haben in den letzten Jahren zahlreiche Hörer dazu gewonnen. Und wenn aus zwei Kulturwellen eine werden muss, dann sei vermerkt, dass der NDR mit NDR Kultur die Kulturstadt Hamburg ebenso erreicht wie die Kulturlandschaft Mecklenburg-Vorpommern. Für das Fernsehen gilt: Sendungen entscheiden über den Zuschauererfolg, nicht Programme. Ein gemeinsames Drittes mit regionalen Zeitfenstern lässt sich organisieren, die Glanzpunkte von ORB und SFB füllen schon heute kein ganzes Programm.

Der RBB wird von seiner Größe her dem Hessischen Rundfunk vergleichbar. Das ist noch kein NDR und noch kein WDR. Aber der RBB ist auch der Sender der Hauptstadt. Wer da an Charlottenburg-West denkt, hat schon eine Idee verpasst.

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