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Wunschdenken. Noch ist die Troll-Taste auf der Tastatur bloße Fantasie.

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MEDIA Lab: Hasskommentare färben ab

Nach einer aktuellen Studie beschädigen hetzerische Kommentare auf Nachrichtenportalen die Reputation des betroffenen Mediums.

Es ist noch nicht lange her, da haben Internet-Gurus, darunter auch viele von uns Medienforschern, das Demokratisierungspotenzial des Netzes als nahezu grenzenlos eingeschätzt – und Nutzerkommentare einfach nur als große Bereicherung dargestellt. Inzwischen herrscht Katzenjammer.

Einige Medien, darunter Sueddeutsche.de, das Newsnet-Portal mehrerer großer Schweizer Zeitungen und auch Newssites wie jene der britischen Nachrichtenagentur Reuters, haben die Kommentierungsmöglichkeiten drastisch eingeschränkt, in soziale Netzwerke wie Facebook ausgelagert oder temporär oder gar ganz abgeschafft. Zu groß ist der Moderationsaufwand, um die Spreu vom Weizen, die konstruktiven und bereichernden Statements vom Schrott, von Beleidigungen und rassistischen oder sexistischen Hassmails zu trennen.

Miese Kommentare färben ab

Und obendrein passiert genau das, was besorgte Redakteure und Verlagsmanager ohnehin seit Langem vermutet haben: Miese, vor allem vulgäre Kommentare färben auf das journalistischen Produkt ab und beschädigen die Reputation eines Mediums. Dies haben jetzt Fabian Prochazka, Wolfgang Schweiger und Patrick Weber mit einer Studie nachgewiesen, die sie kürzlich auf der Jahrestagung der deutschen Publizistik- und Kommunikationsforscher in Darmstadt vorgestellt haben. Die Forscher haben experimentell gearbeitet: Befragt wurden 942 Probanden, die einen Artikel bewerten sollten, der mit Kommentaren versehen war, die mal höflich, mal unhöflich und mal mit Argumenten, mal ohne daherkamen. Eine Kontrollgruppe erhielt denselben Artikel ohne Kommentare.

Die ernüchternde Bilanz der Forscher: Am höchsten wurde die Qualität des Artikels bewertet, der den Probanden kommentarlos präsentiert worden war. Redaktionen können also durch Leserkommentare wenig gewinnen, aber viel verlieren – es sei denn, sie kümmern sich wirklich intensiv um die Moderation mit dem Ziel, durch entsprechende Auswahl der Stimmen die „Diskursqualität“ zu erhöhen. Wichtig ist dann offenbar auch, dass sich die Journalisten selbst an der jeweiligen Diskussion aktiv beteiligen. Den Schweiß der Edlen wert wäre das allemal.

Stephan Russ-Mohl

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