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Immer für eine Überraschung gut. US PrÄsident Donald Trump:

© AFP

MEDIA Lab: Populisten im Spiegel

Wenig Bereitschaft zur Selbstkritik: Die ARD überzieht mit ihrer Kritik an US-Präsident Donald Trump offenbar deutlich.

Die „taz“ ist immer wieder gut für Überraschungen – insbesondere im transparenten Umgang mit sich selbst. So hat vergangene Woche deren Innenpolitik-Redakteurin Sabine Am Orde mehr Sachlichkeit im journalistischen Umgang mit der AfD eingefordert. Dass das eigene Blatt jüngst die beiden Spitzenkandidaten der AfD auf der Titelseite als „Ekelpaket“ bezeichnet habe, sei „eine persönliche Diffamierung unter der Gürtellinie, die nichts zu einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit der AfD beiträgt“, auch wenn ein Teil der Redaktion und der Leserschaft „das angemessen oder witzig finden“ mögen.

Eine ähnliche Bereitschaft zur Selbstkritik würde man sich öfters von öffentlich-rechtlichen Sendern wünschen. Zum Beispiel, als vergangene Woche Thomas Patterson (Harvard University) eine Studie publizierte, der zufolge ausgerechnet die „Tagesthemen“ Weltmeister bei den negativen Wertungen im Umgang mit einem anderen Populisten sind, nämlich mit Donald Trump.

Auch hier gilt, was Am Orde einfordert: Viele ARD-Redakteure und viele Zuschauer mögen ja aus vielerlei Gründen Trump als „Ekelpaket“ empfinden, so wie viele „taz“-Leser die AfD-Spitze. Trotzdem ist es komisch, wenn die „Tagesthemen“ führende amerikanische Sender wie CNN und Fox und auch führende US-Tageszeitungen beim Trump-Bashing überbieten – und dann in der öffentlichen Auseinandersetzung mit der Studie kein Fünkchen Selbstkritik kommt. Stattdessen hat die ARD Methodenkritik ins Feld geführt – wie das fast immer geschieht, wenn Medienhäusern die Ergebnisse wissenschaftlicher Studien nicht passen.

Es wurde moniert, in der Arbeit seien neutrale Statements nicht mitgezählt worden. Wenn man sie mitberücksichtige, ergäbe sich ein anderes Bild. Das stimmt, gilt aber auch für andere untersuchte Medien und ändert nichts daran, dass die ARD mit ihrer Kritik offenbar deutlich überzieht, und zwar selbst im Vergleich zu linksliberalen amerikanischen Medien. Es lässt den Eindruck entstehen, als seien wir die besserwissenden Oberlehrer der Amis, als solle einmal mehr am deutschen Wesen die Welt genesen.

Stephan Russ-Mohl

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