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Multimediale Erscheinung. Inzwischen hat Daniela Katzenberger auch eine CD, die sie Anfang September in Berlin vorgestellt hat. Auch darüber wird sie ausführlich in der Vox-Soap „Daniela Katzenberger – natürlich blond“ berichten. Foto: Hannibal Hanschke/dpa

© dpa

Medien-Phänomen: Besonders blond

Bisher musste niemand die 23-jährige Pfälzerin kennen. Jetzt jedoch bekommt Daniela Katzenberger ihre eigene TV-Show.

Fährt eine Blondine im Smart durch Mallorca...Das könnte natürlich ein Witz sein, ist es aber nicht. Sondern eine Szene aus einer Realitydoku und ein Blick in die Welt von Daniela Katzenberger. Laut „Bild“-Zeitung ist die 23-Jährige aus Ludwigshafen derzeit „Deutschlands genialster Blondinenwitz“. Blond ist sie in der Tat, ihre Zähne sind fast zu weiß und ihre Augenbrauen tätowiert. An Frau Katzenberger sind laut eigenen Aussagen nur die Kniescheiben echt. Und ihr Pfälzer Dialekt. „Isch bin nitt die geilste Frau der Welt“, sagt sie selbst über ihre Talente. Beim Privatsender Vox, wo sich sonst weitgehend unbekannte Prominente gegenseitig bekochen, durfte sie trotzdem zeigen was sie kann: In der Auswandererdoku „Goodbye Deutschland“ wollten Mitte 2009 über zwei Millionen Zuschauer verfolgen, wie Frau Katzenberger nach Amerika ging, um sich ihren Traum zu erfüllen – einmal für den „Playboy“ zu posieren. Das funktionierte zwar nicht, doch trotz des Fehlschlags hat sie heute einen Werbevertrag für einen Telefonanbieter, ein Café auf Mallorca, wird von „Bild“ und „Bunte“ interviewt und ins ZDF eingeladen. Am Dienstag läuft auf Vox die erste Folge der Dokusoap „Daniela Katzenberger – einfach blond“. Sie ist ein „Sternchen“, eine „Dokusoapprominente“, eine „TV-Blondine“ – in jedem Fall ist sie bekannt. Doch warum eigentlich?

„Frau Katzenberger ist zunächst ein Aufmerksamkeitsphänomen“, sagt Harald Wenzel, Professor für Soziologie an der Freien Universität Berlin. In einer Ökonomie der Aufmerksamkeit, in der die Währung Beachtung genauso viel gilt wie Macht und Geld, spielen schräge Vögel und Nobelpreisträger plötzlich in einer Liga. Die Massenmedien machen’s möglich – mit Realityshows, Dokuformaten, Castingshows. Massenhaft Aufmerksamkeit macht aus normalen Protagonisten in kürzester Zeit Promis. Die Instantprominenten von heute sind die Self-Made-Millionäre der Aufmerksamkeit. So ist es durchaus verständlich, dass die ulkig daherpiepsende Verona Pooth, geborene Feldbusch, 2001 einen Bambi bekam – für die „Karriere des Jahres“. Der Vergleich mit Verona ist Daniela Katzenberger deshalb auch keinesfalls unangenehm, im Gegenteil. Eine „coole Socke“ sei die Verona, die alles genau richtig gemacht habe.

Ein wirklich neues Phänomen ist talentfreie Prominenz nicht. „Nehmen sie Zsa Zsa Gabor. Für ihre Prominenz gab es, objektiv betrachtet, auch keinen Grund“, sagt Harald Wenzel. Tatsächlich war die Gabor vielleicht sogar der erste B-Promi des 20. Jahrhunderts. Mit 19 gewann sie eine Misswahl in Ungarn und war dann ein Operetten-Sternchen. Zu eigentlicher Berühmtheit gelangte sie erst durch ihre zahllosen Affären und die Berichterstattung in der Yellow Press. Immerhin brachten ihr die Filmauftritte einen Platz in der amerikanischen B-Movie-Hall of Fame. Das Phänomen Katzenberger ist ohne die Massenmedien nicht denkbar. „Prominenz entstand schon immer über Öffentlichkeit. Doch eine Operettenbühne ist nichts im Vergleich zu Film, Fernsehen und Internet“, sagt Julia Wippersberg. Die Kommunikationswissenschaftlerin forscht an der Universität Wien. „Die Selbstinszenierung hat dadurch schon eine neue Qualität erreicht“, glaubt sie. Ariane Sommer badete in warmer Schokolade, Verona Pooth pflegte hingebungsvoll und geschäftstüchtig zugleich antrainierte Sprachfehler. Ohne die mediale Öffentlichkeit hätte niemand etwas davon erfahren. Könnte dann nicht eigentlich jeder die mediale Bühne betreten und prominent werden?

Ganz so einfach ist es nicht, sagt Wippersberg: „Man muss das schon mögen und wollen.“ Rund um die Uhr ein Fernsehteam um sich zu haben oder vor laufender Kamera mit einem Smart die Parklücke zu verfehlen, ist nicht jedermanns Sache. Zumindest eines müssen diese Prominenten also sein – schmerzfrei. „Eine gewisse Extrovertiertheit braucht es auch. Der Zuschauer will ja überrascht werden, was jetzt als Nächstes kommt“, weiß Wippersberg.

An Unterhaltungswert mangelt es Daniela Katzenberger nicht. Das stellte sie auch in der Talkshow von Markus Lanz im ZDF unter Beweis. Die penetranten Fragen nach ihrer Brustvergrößerung parierte sie schlagfertig mit einer Gegenfrage: „Wisst ihr eigentlich, was Anal-Bleaching ist? Ich verstehe wirklich nicht, warum sich so viele immer noch über Silikonbrüste aufregen!“ Frau Katzenberger ist ein Unterhaltungsangebot, das Zuschauer angenommen haben. Ist diese Hürde erst einmal genommen, stellt sich die Prominenz fast von selbst ein, sagt Julia Wippersberg. Denn auf die Nachfrage werden das Angebot erhöht und die Sendezeit, andere Medien springen auf, und wenn die Unterhaltungsmaschine erst einmal läuft, läuft sie wie geschmiert.

Private Fernsehsender haben dieses Prinzip mittlerweile perfektioniert: Die beliebtesten Kandidaten von Castingshows tauchen auch im Morgenfernsehen auf, besuchen die Talkformate des Heimatsenders und bekommen eigene Formate. In der Kommunikationsforschung spricht man von medieninszenierten Pseudoevents, ProSieben gilt mit „Germany’s Next Topmodel“ oder „Model-WG" als Meister dieser Klasse. Doch auch Vox, Teil der RTL-Senderfamilie, hat das Prinzip verstanden. Jetzt ist Katzenberger dort ein eigenes Thema. Kochen – Tiere – Daniela Katzenberger, in dieser Reihenfolge listet die Homepage des Privatsenders seine medialen Highlights auf und widmete der Blondine die zweistündige Dokumentation „Daniela Katzenberger – plötzlich Popstar?!“.

Auf Mallorca, unweit des Ballermanns, hat Daniela Katzenberger bereits viele Fans. Autogrammjäger belagern ihr – ebenfalls vor laufender Kamera eröffnetes – „Café Katzenberger“. „Warum findet ihr mich eigentlich gut?“, fragt Katzenberger eine korpulente Frau, die sie um ein Foto bittet. Antwort: „Weil du toll bist – du bist eine von uns!“ Holger Schramm, Medienpsychologe an der Universität Zürich, sieht den Hauptgrund für das Phänomen Katzenberger deshalb eher in sozialen Vergleichsprozessen als in irgendwelchen Talenten. „Der Grund, warum wir uns im Fernsehen gerne Menschen ansehen, die bisher in ihrem Leben noch nichts Großes geleistet haben, ist, dass wir uns gerne vergleichen. Wie auch im echten Leben.“ Das hilft bei der Selbsteinschätzung.

Und spendet bisweilen Trost. Denn wenn es Daniela Katzenberger trotz bescheidener Sangeskünste gelingt, eine CD zu produzieren – warum sollte es nicht jeder andere auch schaffen? „Zuschauer sehen sich mit den Protagonisten in solchen Formaten auf Augenhöhe. Die Überlegung ist dann logischerweise ‚Könnte ich das nicht vielleicht auch?‘“, sagt Holger Schramm. Die Vorstellung vom scheinbar so einfachen Weg zum Ruhm ist weitverbreitet. Auch das ist mit Sicherheit ein Grund, warum sich 30 000 Kandidaten bei „Deutschland sucht den Superstar“ bewarben und über 20 000 Mädchen an Heidi Klums Modelcasting teilnahmen. Auch nach unten wird der Vergleich geschätzt. Eine Daniela Katzenberger, die bei den Worten „Alter Ego“ hilflos fragt, welcher Typ damit gemeint sei, kann beim gebildeten Publikum ebenfalls punkten.

„Die Erfahrung, dass jemand noch dümmer oder unzulänglicher ist als man selbst, ist immer eine große Erleichterung“, sagt Soziologe Harald Wenzel. Durch ein Phänomen wie Daniela Katzenberger erleben Zuschauer also „die gute alte Katharsis“. Erleichterung ob der angeblichen Dummheit von Frau Katzenberger sollte man allerdings wohl nicht empfinden. „Wer so schlau ist wie ich, der stellt sich einfach doof“ lautet ihr Motto. Oder: „Außen Barbie, innen Einstein.“

„Daniela Katzenberger – natürlich blond“, Vox, dienstags, 22 Uhr 40

Julia Kimmerle

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