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Medienkrise: Stütze vom Staat?

Die Finanzkrise erreicht die Verlage, Frankreich reagiert. Wie die Presse in verschiedenen Ländern Europas unterstützt wird

Die Finanzkrise geht auch an der Medienwirtschaft nicht vorbei, insbesondere die Presseverlage sind weltweit betroffen. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy will deshalb die Presse seines Landes, die allerdings chronisch defizitär ist, mit Steuermillionen und einer Strukturreform dauerhaft rentabel machen. Als „erste Baustelle“ nannte er das Internet und die entsprechende technologische Anpassung. Die Online-Verleger würden von der Gewerbesteuer befreit. Außerdem werde er sich in Brüssel für eine Senkung der Mehrwertsteuer einsetzen. Als „zweite vorrangige Baustelle“ bezeichnete Sarkozy die Modernisierung des Vertriebs. Der Staat werde die Hilfe für das Austragen von Zeitungen von acht auf 70 Millionen Euro erhöhen. „Dritte Baustelle“ ist für Sarkozy die Modernisierung des unrentablen Drucks. Sarkozy befürwortet einen Tarifvertrag zum Zweck einer Kostensenkung um 30 bis 40 Prozent und die Umschulung überzähliger Drucker. Weitere Vorschläge betreffen Gratisabonnements für Jungleser bis zur Volljährigkeit und die Arbeit mit der Presse in der Schule. Frankreich ist ein, aber nicht das einzige Land, in dem der Staat die Presse unterstützt. Wie das geschieht, zeigen die Beispiele Polen, England, Österreich, Spanien und die Schweiz. jbh

Polen: Keine Hilfen für eine Presse - in der Hand ausländischer Verlage

Über Polen geht im Moment eine große Privatisierungswelle hinweg. Große Staatsbetriebe werden verkauft – auch die letzte staatseigene Zeitung „Rzeczpospolita“. Aussichtsreicher Interessent ist der deutsche Axel-Springer-Verlag. Die Übernahme des Blattes durch den Medienriesen würde die übermächtige deutsche Präsenz auf dem polnischen Markt noch weiter verstärken. Springer bringt bereits die Tageszeitung „Dziennik“ und die Nachrichtenmagazine „Fakt“ und „Newsweek Polska“ heraus. Neben Springer sind noch andere deutsche Verlage in Polen präsent. So vertreibt die Verlagsgruppe Passau unter anderem eine überregionale Tageszeitung mit dem Titel „Polska“. Und auch Gruner + Jahr und der Bauer-Verlag sind überaus aktiv. Da elementare Bereiche des täglichen Lebens in Polen – wie etwa die Krankenversorgung oder die Rentenkasse – am Rande des Zusammenbruchs stehen, muss die Regierung sehr genau überlegen, wie es die Hilfen in der Krise verteilt. Unterstützung für einen Markt, der fest in ausländischer Hand ist, wäre den polnischen Wählern kaum zu vermitteln. Knut Krohn, Warschau

Großbritannien: Indirekte Unterstützung denkbar, Subventionen niemals

Der Stadtrat von Leeds hat eine Solidaritätserklärung für die Journalisten der „Yorkshire Post“ beschlossen, denen Kündigungen und ein Lohnstopp drohen – das ist alles, was britische Journalisten vom Staat akzeptieren. „Wir halten Staatshilfe für Zeitungen für falsch“, betont der Sprecher des Lokalzeitungsverbandes „Newspaper Society“ (NS) mit Blick auf das französische Modell. Dabei geht es den Zeitungen schlecht. Die Aktien der beiden größten Lokalzeitungsgruppen sind um über 80 Prozent abgestürzt. Der Londoner „Evening Standard“ wurde für ein Pfund an den russischen Oligarchen Alexander Lebedew verkauft. Aber es wird diskutiert, wie man Lokalzeitungen helfen kann, den Anschluss an das zukünftige „digitale Großbritannien“ zu schaffen. „Eine blühende Presse ist für die Gesundheit unserer Kommunen und unserer Demokratie wichtig“, erklärte Staatssekretär Ian Pearson. Ein Regierungsbericht über die Entwicklung des Breitbandnetzes fordert Lokalzeitungen auf, über ihre Rolle im künftigen „digitalen Großbritannien“ nachzudenken und Vorschläge zu machen. Die „Newspaper Society“ drängt auf eine Reform des Medienrechts, damit medienübergreifend Synergien zwischen Lokalzeitungen, Internetdiensten und Webradio möglich werden. Jüngst blockierte die NS, die rund 1300 Lokal- und Regionalzeitungen vertritt, die Gründung eines Internet-Lokalnewsdienstes der BBC – dieses Feld soll nun den Zeitungen vorbehalten werden, notfalls sogar mit Starthilfe der BBC. Staatssubventionen für die Ausrüstung digitaler Studios wären etwa denkbar. Die NS fordert auch ein Verbot kostenloser Selbstdarstellungszeitungen von Kommunalverwaltungen, die lokale Anzeigen abschöpfen. Hilfe also schon – aber Direktsubventionen vom Staat sind im Mutterland der freien Presse tabu. Matthias Thibaut, London

Österreich: Förderung und Anzeigenkampagnen der Regierungen

Gemessen an vergleichbaren Ländern wie der Schweiz ist die Dichte an Tages- und Wochenzeitungen in Österreich zwar äußerst gering, an den staatlichen Zuschüssen kann das aber nicht liegen, denn es gibt eine ganze Reihe an Förderinstrumenten für die österreichische Presselandschaft. Da ist zum einen die klassische Presseförderung: Aus diesem Topf werden von der Bundesregierung rund 12,8 Millionen Euro jährlich ausgeschüttet. Es gibt sowohl eine Förderung für den Vertrieb als auch eine besondere Förderung für regionale Tageszeitungen. Die Qualitätsblätter wie „Presse“ oder „Der Standard“, die in den Bundesländern relativ schwach verankert sind, bekommen zum Ausgleich eine Förderung zur sogenannten „Qualitäts- und Zukunftssicherung“. Neben der Bundesregierung sind in Österreich freilich auch die Länder in Sachen Presseförderung aktiv und schütten ebenfalls mehrere Millionen Euro pro Jahr an Medien, die in ihrem Bundesland aktiv sind aus. Ein wesentliches Instrument sind aber auch in Österreich klassische Anzeigenkampagnen, und diese sind immer wieder ein umstrittenes Thema zwischen den jeweiligen Regierungen und der Opposition. So haben die österreichischen Ministerien im vergangenen Wahlkampf zur Bewerbung ihrer einzelnen Minister 8,7 Millionen Euro ausgegeben. Spitzenreiter war damals das Infrastrukturministerium des aktuellen Bundeskanzlers Werner Faymann, der sich selbst für 1,75 Millionen Euro in den heimischen Tageszeitungen und Magazinen bewerben ließ. Markus Huber, Wien

Spanien: Verlegerverband fordert mehr staatliche Unterstützung

Abnehmende Leselust, Auflagenrückgang, Absturz der Werbeeinnahmen: Auch Spaniens Tageszeitungen befinden sich in der Krise und hoffen nun auf millionenschwere staatliche Subventionen; ähnlich wie in Frankreich, wo Präsident Nicolas Sarkozy den Verlagen bereits Hilfe zusagte. Der Staat müsse helfen, forderte nun die Chefin des spanischen Verlegerverbandes, Pilar de Yarza. Die Branche mache eine schlimme Zeit durch. Bereits seit Jahren greift der spanische Staat der Druckpresse durch indirekte, aber nicht zu verachtende Subventionen unter die Arme: eine auf vier Prozent reduzierte Umsatzsteuer, staatliche Anzeigenkampagnen in den Blättern. Nun denkt der sozialdemokratische Regierungschef José Luis Zapatero zumindest darüber nach, ob die Hilfen ausgebaut werden können. Auch wenn der Spielraum angesichts der allgemeinen Wirtschaftskrise, einbrechender Steuereinnahmen und eines drohenden Haushaltsdefizits von sechs Prozent gering ist.

Die Verleger fordern, die Umsatzsteuer auf den Zeitungsverkauf ganz zu kippen. Und sie hoffen auf mehr gut bezahlte Werbekampagnen der Regierung in ihren Blättern. Währenddessen setzten die Zeitungsverlage drastische Sparpläne durch, um den Einnahmerückgang abzumildern. Am größten ist die Unruhe derzeit offenbar beim Presse-Flaggschiff „El Pais“, dem größten Blatt des Landes – dort droht eine Streikwelle. Das „El Pais“-Mutterhaus Prisa steht derzeit mit knapp fünf Milliarden Euro in der Kreide. Ralph Schulze, Madrid

Schweiz: Große Verlage stemmen sich gegen staatliche Hilfe

Die Medienkrise trifft auch die Schweizer Zeitungen mit voller Stärke: Das publizistische Flaggschiff, die „Neue Zürcher Zeitung“, musste den Abbau von zwei Dutzend Stellen bekannt geben. Auch Regionalblätter wie die „Basler Zeitung“ und die „Mittellandzeitung“ sparen und entlassen. „In der Schweiz sind die Tageszeitungen noch immer die wichtigsten Medien für die Werbung“, erklärt Matthias Künzler, Medienwissenschaftler der Uni Zürich. „Wegen der Wirtschaftskrise streichen die Firmen die Werbeetats, und deshalb sind die Tageszeitungen besonders getroffen.“ Doch trotz alarmierender Zahlen – die Verleger stemmen sich gegen staatliche Hilfen. Einerseits befürchten die Zeitungsbosse, dass der Staat im Gegenzug Einfluss auf die publizistische Linie nehmen könnte. Andererseits erkennen die großen Verlage in der Krise eine Chance: Der Abschwung beschleunigt die Konzentration. Die großen Spieler wie die NZZ -Gruppe und die Zürcher Tamedia („Tages-Anzeiger“) könnten versucht sein, sich auf die Lauer zu legen. Es gibt noch kleine Zeitungen, die man schlucken könnte. Staatliche Hilfen für die kleinen, schwachen Medienhäuser aber würden den Konzentrationsprozess aufhalten. Jan Dirk Herbermann, Genf

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