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Mediennutzung: Hintergrund wird Hintergrund

Nach einer ARD/ZDF-Studie nutzen Migranten zunehmend auch deutschsprachige Medien. Selbst das deutschsprachige Radio liegt in der Gunst deutlich vor heimatsprachigen Fernsehprogrammen.

Den Satz des Tages, so viel Ehre muss sein, formte am Freitag in Köln Reinhold Elschot: „Der Hintergrund muss in den Hintergrund treten“, sagte der stellvertretende Programmchef des ZDF nach der Vorstellung der ARD/ZDF-Studie „Migranten und Medien 2011“ im WDR-Funkhaus. Elschot meinte damit, dass Schauspieler mit Migrationshintergrund Rollen in Fernsehfilmen und Krimi-Reihen erhalten sollten – ohne dass ihre Herkunft dabei von Bedeutung sei. Bisher sei es so gewesen, erklärte Elschot, dass zum Beispiel das ZDF Minh-Khai Phan-Thi in der „Nachtschicht“-Reihe gezielt als Vietnamesin besetzt habe. Zwar werde es laut Elschot auch weiter fiktionale Themenfilme zur Integration geben, aber der Königsweg sei es, Migranten als normale Protagonisten in Fernsehfilmen einzusetzen. Dass die Fernsehsender auf dem Weg zu einer solchen Normalität seien, bezweifelten in Köln allerdings die Schauspielerinnen Idil Üner und Adriana Altaras.

Bevor der Hintergrund in den Hintergrund treten kann, muss er gründlich untersucht werden. Zum zweiten Mal nach 2007 legten ARD und ZDF eine Studie über das Mediennutzungsverhalten von Migranten vor. Demnach sehen 13 Prozent (2007: 14 Prozent) ausschließlich heimatsprachiges Fernsehen, eine Mehrheit (44 Prozent/2007: 48) verfolgt nur die deutschen Programme. Gestiegen von 25 auf 32 Prozent ist die Zahl derer, die sowohl deutsch- als auch heimatsprachiges Fernsehen konsumieren. Allein bei den Türken, und da vor allem aus der älteren Generation, ist die Zahl, die ausschließlich heimatsprachige Programme nutzt, noch höher als die derjenigen, die allein deutschsprachiges Fernsehen sieht.

Beim Radio ist die Situation noch eindeutiger: Da hören 55 Prozent (2007: 48) der Befragten allein deutsche Programme. Allerdings nutzen 38 Prozent (2007: 45) den Hörfunk überhaupt nicht. Repräsentativ ist die Studie nur für die Gruppe der sechs größten Herkunftsländer (ehemalige UdSSR, Türkei, Polen, ehemaliges Jugoslawien, Italien und Griechenland), aus der die Befragten stammten. Also für 7,4 Millionen Menschen oder knapp 60 Prozent der in Deutschland lebenden Menschen ab 14 Jahren mit Migrationshintergrund.

„Die Mehrheit der Migranten lebt medial nicht in einer Parallelgesellschaft“, erklärte die ARD-Vorsitzende Monika Piel. Und auch Maria Böhmer, die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, sprach in einer Grußbotschaft von „ermutigenden Trends" und folgerte forsch: „Wir kommen voran bei der Integration.“ Als Grundlage solch optimistischer Interpretationen dienen vor allem die Erkenntnisse über die jüngere Migranten-Generation. „Ein 20-Jähriger mit ausländischen Wurzeln lässt sich kaum noch von dem mit deutschen Wurzeln unterscheiden“, sagte die WDR-Intendantin Piel.

Tatsächlich sind deutschsprachige Internetseiten und deutschsprachiges Fernsehen mit weitem Abstand die Favoriten bei der Mediennutzung von 14- bis 29-Jährigen. Selbst das deutschsprachige Radio liegt da in der Gunst noch deutlich vor den heimatsprachigen Fernsehprogrammen. Einen Einbruch erlitten allerdings die deutschsprachigen Tageszeitungen: Nur 26 Prozent (gegenüber 35 im Jahr 2007) der jungen Leute aus Migrantenfamilien gaben an, hiesige Blätter zu lesen. Wie ihre Altersgenossen mit deutscher Herkunft auch bevorzugen sie im Internet soziale Netzwerke und im Fernsehen die privaten Programme. Ihre bevorzugt genutzten Fernsehsender sind ProSieben (65 Prozent), RTL (52), RTL 2 (39) und Kabel eins (34). ARD und ZDF landen hier mit zwölf beziehungsweise elf Prozent abgeschlagen auf den letzten Plätzen, noch hinter n-tv (18) und N24 (19).

Diese Zahlen sind zwar mit Vorsicht zu genießen, weil sie auf der Selbsteinschätzung bei einer Befragung beruhen, aber sie bestätigen in der Tendenz die Erkenntnisse der alltäglichen Quotenmessung. Und so war die Studie für die Auftraggeber nicht nur ein Quell der Freude. Helmut Reitze, Intendant des Hessischen Rundfunks (HR), ist in Sorge, „dass wir da nicht weiterkommen können“. Um die Jüngeren zu erreichen, müssten die öffentlich-rechtlichen Sender mehr Unterhaltung bieten, von der Art, wie es RTL und ProSieben tun. „Aber dann verändern wir unser Profil“, sagte Reitze. Passend dazu sprach auch der zu einer Gesprächsrunde eingeladene ZDF-Talker Markus Lanz von einer „Parallelgesellschaft“ – und meinte damit das Fernsehen. „Wie zwei Raumschiffe“ würden das private und das öffentlich-rechtliche System nebeneinanderher senden.

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