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Medien: Medienrepublik (85)

Matthias Kalle über Fehler in der medialen Matrix Manche Fragen verblüffen schon ob ihrer Einfachheit: „Wo“, wollte vor kurzem eine neugierige Leserin wissen, „liegt eigentlich die Medienrepublik ganz genau?“ Ja.

Matthias Kalle über Fehler in der medialen Matrix

Manche Fragen verblüffen schon ob ihrer Einfachheit: „Wo“, wollte vor kurzem eine neugierige Leserin wissen, „liegt eigentlich die Medienrepublik ganz genau?“ Ja. Wo eigentlich? In der Potsdamer Straße? In Berlin? In München? Zwischen Frankfurt und Leipzig? Mitten in Deutschland? Oder aber ist die Medienrepublik die Matrix – also nur ein Computerprogramm, das den Lesern vorgaukelt, sie würden sich an einem Ort befinden, in dem reale Menschen reale Dinge tun? Ist die Medienrepublik am Ende nur eine Illusion, ausgedacht von Redakteursmaschinen? Sind die Autoren nur Simulationen, die mit ihren Texten eine Wirklichkeit konstruieren, die es überhaupt nicht gibt? Es sind tatsächlich die einfachen Fragen, die einen in den Wahnsinn treiben.

Die Wirklichkeit (oder was immer man dafür hält) sah in der vergangenen Woche so aus: Boris Becker (der echte?) fordert von der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ Geld dafür, dass sie mit ihm geworben hat: Zum Start ihrer Sonnatgszeitung im Herbst 2001 druckte die „FAZ“ die Titelseite der so genannten Nullnummer – einer Ausgabe, die niemals erscheint –, und darauf wurde eine Geschichte über Boris Becker angekündigt, die niemals geschrieben wurde. Becker verlangt jetzt eine Millionen Euro Entschädigung, denn die „FAZ“ habe mit seinem Gesicht Werbung betrieben.

Abgesehen einmal davon, ob man mit dem Gesicht Beckers noch Werbung machen kann, muss man sich doch die Frage stellen: Kann man Geld für etwas verlangen, dass es nicht gibt (nämlich eine Geschichte)? Oder existiert die Geschichte vielleicht doch, wenn auch nur in Beckers Kopf? Was ist real? Und wie viel kostet es? Am besten ist es anscheinend, wenn die Realität fast nichts kostet, denn in der Wirklichkeit, in der wir leben, ist das Billige das Gute. Deshalb bringt wohl auch der „Stern" Titelgeschichten, die den Deutschen den Weg weisen sollen in das Reich des Sparens: über Ikea, über Aldi und in dieser Woche über Ebay. Ebay – das ist ein virtueller (!) Marktplatz im Internet, wo Menschen Dinge anbieten, die andere Menschen ersteigern können. Das andere Titelthema auf dem „Stern“Cover heißt: „Depressionen – Wodurch sie entstehen, was wirklich hilft.“ Passt irgendwie zusammen, die Martix arbeitet mit den Methoden der Logik.

Oder doch nicht? Am Mittwoch kam zum vielleicht letzten Mal die Champions-League auf RTL, das Finale zwischen dem AC Mailand und Juventus Turin, aber Abschiedsschmerz wollte sich nicht einstellen, denn das, was der Zuschauer sah, war langweilig. Gut - das kommt vor, wenn zwei italienische Mannschaften gegeneinander spielen. Aber beim Kommentator Tom Bartels setzte die Logik für die Dauer der Spielzeit aus. Als der Mailänder Spieler Serginho eine Flanke so was von verzog, sagte Bartels: „Was der Mann macht, hat Sinn und Verstand.“ Was hatte Bartles gesehen, was die Zuschauer nicht sehen konnten? Es muss einen Fehler in der Matrix gegeben haben. Und? Haben Sie diesen Text wirklich gelesen oder glauben Sie nur, dass Sie es hätten? Ich glaube zumindest, dass ich ihn geschrieben habe, aber sicher bin ich mir nicht. Nichts ist sicher in der Medienrepublik.

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