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Medienwoche 2009: Sei cool, sei Programmdirektor

In Berlin wird über das Fernsehen der Zukunft diskutiert. Denn immer mehr Deutsche entscheiden selbst, wann sie Filme und Serien gucken.

Broadcast goes Internet – wächst zusammen, was zusammengehört? Willkommen in der Konvergenz: Wer blickt da noch durch? Neues Fernsehen: multimediale Senderkonzepte – Themen und Macher der Medienwoche, des größten Branchenevents Europas, scheinen zu wissen oder wissen zu wollen, was den Zuschauer wirklich interessiert. Jedenfalls reden sich am Montag und Dienstag in Berlin die führenden Köpfe der internationalen Medienindustrie die Köpfe darüber heiß, ob der Zuschauer zukünftig lieber mit der Fernbedienung vorm Fernseher sitzt oder lieber mit der Maus vorm Computer. Oder gleich vor einem teuren Fernsehgerät, das die Fähigkeiten von Computer und Fernsehen vereint.

Das Zauberwort lautet: Konvergenz, die Verschmelzung von Einzelmedien, konkret: von Fernsehempfänger und Computer, wie sie schon Nicholas Negroponte in den neunziger Jahren beschworen hat. Negroponte ließ offen, ob Fernsehgeräte eher zu Computern mutieren oder Computer zu intelligenten Fernsehern werden, wie es zuletzt den Anschein hatte. Der Fernseher als Lagerfeuer für die ganze Familie, dieses Bild hat lange ausgedient. Die Jungen gucken auf dem Notebook Serien, Clips und treffen sich zwischendrin in Social Networks, während sich die Älteren im Wohnzimmer mit TV-Programmen herumschlagen. Zumindest auf der Ifa scheint da einiges zusammenzuwachsen. Ein TV-Gerät von Panasonic bietet ausgewählte Internetdienste an, von Bild.de bis Youtube. Netzzugang mit der Fernbedienung – bis das wirklich so einfach geht, werden einige Ifas vergehen. „Der Verbraucher“, so Jürgen Boyny von der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK), „erwartet im Fernsehen kein kompliziertes ,Hochfahren‘, keine Fehlermeldungen, keine Virenproblematik.“

Bei aller Technik, es geht auch um die Angebote der Fernsehsender oder besser: Inhalteveranstalter, die Serien, Filme, News auf verschiedenen Wegen in Millionen Haushalte schicken. Beispiel Hulu.com, die US-amerikanische Onlinevideothek, bei der kostenfrei Serien und Filme („The Simpsons“, „Stargate“) abzurufen sind. Oder Youtube. Weltweit schauen mehr als 200 Millionen Nutzer regelmäßig bei der Clipbörse vorbei. Mehrere hunderttausend Videos werden täglich auf den Server hochgeladen. US-Nutzer können zudem künftig mehr Ausschnitte aus Sendungen des Time-Warner-Konzerns sehen. Auch in Deutschland nimmt die zeitautonome Nutzung von TV-Produktionen zu. Laut aktueller Befragung von Internetusern laden sich rund 20 Prozent Videos aus den Onlineportalen herunter. „In ein bis zwei Jahrzehnten wird sich diese Zahl sicher vervielfachen. Heute verwenden vor allem jüngere Menschen ihren Laptop als Zweitfernseher“, sagt Claudia Nothelle, die beim RBB für das multimediale Programmkonzept zuständig ist. „Ich bin aber überzeugt, dass das herkömmliche lineare Fernsehen nicht ausgedient hat.“ Nicht jeder habe Lust, nach dem Arbeitstag Fernsehdirektor zu spielen. Noch ist Hulu.com nur in den USA zu sehen. Sollte es via Lizenzrecht in Europa laufen, könnte es die Sehgewohnheiten gerade der jungen Zuschauer nachhaltiger verändern. Zum Leidwesen der öffentlich-rechtlichen und privaten Sender, die ihre Multimedia-Bemühungen mit Mediatheken und Filmportalen deutlich verstärkt haben. „Das Angebot attraktiver Inhalte ist entscheidend für den Zuschauer, ob er nun ,Fernsehdirektor‘ sein möchte oder ein sich zurücklehnender Konsument“, glaubt Marc Schröder, Geschäftsführer von RTL Interactive. RTLnow kommt auf zwölf Millionen Abrufe kompletter Sendungen im Monat. Ähnliches gilt für Maxdome, die Onlinevideothek der Pro-Sieben-Sat-1-Gruppe.

Laut AGF/GfK ist die Nutzungsdauer von Fernsehen im ersten Halbjahr 2009 gerade bei Onlinenutzern ab 14 Jahre von 225 auf 228 Minuten pro Tag gestiegen. Gleichzeitig nahm bei dieser Zielgruppe die Internetnutzung zu, von 58 auf 70 Minuten. Willkommen in der Konvergenz: Wer blickt da noch durch? Negroponte offenbar nicht. Der Medienguru riet den Herstellern von Fernsehgeräten damals, in die Zukunft zu investieren und ausschließlich PCs zu produzieren.

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