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SZ Tagesspiegel

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Medienwoche I: Der geteilte Mensch

Es gibt immer einen Wettstreit, um die größte Bedeutung eines Mediums - Fernsehen, Internet, Gedrucktes. Was ist das neue Leitmedium?

Der Medienkonsum verändert sich dramatisch. Amerikanische Jugendliche sollen es angeblich schaffen, in sieben Zeitstunden 20 Stunden Medien zu konsumieren, also durchschnittlich drei Medien gleichzeitig zu nutzen. Welchen Stellenwert haben dabei Fernsehen, Internet, Radio und Gedrucktes – und wer hat die Führungsrolle inne? Diese Fragen wurden am Montag zum Start des Medienkongresses innerhalb der „medienwoche@ifa“ gestellt.

Zur Beantwortung wurden auch zwei US-Unternehmen ausgewählt. Neben Internetgigant Yahoo war dies das in Deutschland noch wenig bekannte Unternehmen Current Media des ehemaligen US-Vizepräsidenten Al Gore. Nach seinen nicht immer guten Erfahrungen mit den Medien hatte er 2005 den Sender Current-TV gegründet mit dem Ziel, die Medien zu demokratisieren. In dem interaktiven Sender für junge Erwachsene stammen die Inhalte zu großen Teilen von den Nutzern selbst – was laut Geschäftsführer Mark Goldmann sogar für die Werbung gilt. Der veränderte Medienkonsum ist für ihn jedenfalls nichts Neues. Drei Viertel der Jugendlichen surfen beim Fernsehen im Internet, sagte er – und zwar genauso in Europa, wo Current-TV bereits in Großbritannien, Irland und Italien aktiv ist. Für den deutschen Markt laufen Goldmann zufolge Gespräche, Definitives gebe es jedoch nicht zu sagen.

In den jungen Altersgruppen haben nach Goldmanns Erfahrung Social Networks wie Facebook oder StudiVZ die traditionellen Medien bereits als Leitmedium abgelöst – eine Aussage, die nicht von allen geteilt wird. Für Bernd Buchholz, Leiter des Verlagshauses Gruner + Jahr, werden dabei Äpfel mit Birnen verglichen. Plattformen wie StudiVZ lägen in ihrer Funktion als Kommunikationsplattform für Jugendliche ganz vorn, aber „wir können doch nicht die Auflage des ,Spiegel‘ mit Telefonminuten vergleichen“, sagte Buchholz auf dem Medienkongress von Medienboard und Medienanstalt Berlin-Brandenburg in Zusammenarbeit mit den Ländern Berlin und Brandenburg. Medienwoche und Kongress finden in diesem Jahr in Kooperation mit der Gesellschaft für Unterhaltungselektronik (gfu) statt und sind durch den Veranstaltungsort ICC näher an die Ifa herangerückt.

Das Internet erfordert von den Medienunternehmen gleichwohl ein Umdenken, mit dem viele Medienschaffenden oftmals noch Probleme hätten, meint Wolf Bauer, Chef der Ufa Film und TV Produktion aus Potsdam. Deren Kreativität müsse über die traditionellen Medien hinausgehen. Jüngstes Beispiel: Anlässlich der Medienwoche gab Bauer die Kooperation der Ufa mit dem Social Network StudiVZ bekannt. „14- bis 16-Jährige verbringen bereits mehr Zeit im Internet als vor dem Fernseher“, sagte Bauer. „Man kann nicht darauf warten, dass sie zum Fernsehen zurückkommen. Man muss sie dort erreichen, wo sie sich aufhalten.“ Im Oktober soll auf den StudiVZ-Plattformen eine von Grundy Ufa produzierte Serie über die Irrungen und Wirrungen im Leben von Studenten starten.

Für die einen ist das Internet das neue Leitmedium, andere sehen es als universelles Betriebssystem. Für Christiane zu Salm, Cross-Media-Vorstand im Burda- Imperium, ist es ein immer wichtigerer Vertriebsweg, um bestehende Marken zu stärken und vorhandene Themenfelder durch neue Internetmarken zu erweitern.

Wie das geht, zeigt beim NDR die Sendung „Extra 3“. Deren Quote unter den jüngeren Zuschauern hat sich verdoppelt, seitdem sie über das Internet gefördert wird, sagte NDR-Intendant Lutz Marmor. Ähnliche Erfahrungen hat auch Marcus Englert, New-Media-Vorstand bei der Pro Sieben Sat 1-Gruppe, mit der Plattform Maxdome gemacht, zum Beispiel mit Formaten wie „Germany’s Next Topmodel“. Ein Zehntel der Zuschauer der Sendung stammt aus dem Netz.

Viele Fragen stellen sich für Fernsehzuschauer und Internetnutzer ohnehin nicht mehr. Sie suchen sich ihre Inhalte dort, wo sie ihnen am komfortabelsten zur Verfügung stehen, sagt Terry von Bibra, Geschäftsführer von Yahoo Deutschland. Und sie erwarten, dass man die Vorteile des einen Mediums in das andere transportiert. Bequemes Suchen, von Nutzern generierte Inhalte, Empfehlunglisten von Web-Gemeinschaften, solche Funktionen werden auch für das Fernsehen immer wichtiger.

Auch für den Streit zwischen privatwirtschaftlichen Verlegern und öffentlich-rechtlichem Rundfunk über die Rolle von ARD und ZDF im Internet hat Bibra eine interessante Idee: Einfach mit einem leeren Blatt anfangen und danach fragen, was die Kundschaft will. Das gefiel vor allem ZDF-Intendant Markus Schächter und NDR-Chef Lutz Marmor, zumindest anfangs. Denn bei einem leeren Blatt müsse laut Bibra auch darüber diskutiert werden, wie zeitgemäß ein gebührenfinanzierter Rundfunk noch ist.

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