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Pay-TV. Wer als Mensch mit Behinderung bislang von Rundfunkgebühren befreit ist, der soll künftig 5,99 Euro pro Monat bezahlen. Es sei denn, er lässt sich befreien. Foto: dpa

© picture-alliance/ dpa/dpaweb

Mehr Geld für ARD und ZDF: Beute machen?

Bis Ende 2012 sind Menschen mit Behinderung von der GEZ-Gebühr befreit. Mit dem neuen Rundfunkbeitrag ändert sich das: Auch sie sollen zahlen.

Die GEZ wirbt für die neue Haushaltsabgabe gerne mit dem Argument, dass sich für 90 Prozent der Bundesbürger nichts ändern werde. „Sie zahlen ab 2013 genauso viel oder weniger als vorher“, heißt es auf der Webseite der Gebühreneinzugszentrale. Das künftige Rundfunkgebührenmodell fußt auf der Existenz eines Haushaltes/eines Unternehmens, anders das bisherige, das die Gebührenpflicht an die Existenz eines Empfangsgerätes koppelt, mit dem ARD, ZDF und das Deutschlandradio genutzt werden können. Die Sender sagen, sie würden nach ihren Berechnungen über die jährlich 7,5 Milliarden Euro hinaus mit der Haushaltsabgabe kein Plus erzielen. Außerdem bliebe der Monatsbeitrag 2013 und 2014 stabil.

Bei den zehn Prozent der Haushalte, die vom kommenden Jahr an erstmals oder mehr für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk bezahlen müssen, ist die Empörung groß. Künftig muss auch derjenige ARD & Co. finanzieren, der bisher weder fernsieht noch Radio hört, er wird mit 17,98 Euro monatlich zwangsrekrutiert; wer bis heute nur Radio hört und daran auch nichts ändern will, der wird von 5,99 Euro auf 17,98 Euro „aufgestockt“. Auch an die Gruppe der von der Gebühr befreiten Seher und Hörer will die GEZ künftig ran. Laut GEZ-Jahresbericht 2011 sind aktuell knapp 3,2 Millionen Teilnehmer aus sozialen, finanziellen und gesundheitlichen Gründen von der Gebühr befreit, das sind etwa zehn Prozent aller von der GEZ geführten Konten.

Zu dieser Gruppe gehören auch rund 800 000 Menschen mit Behinderung, Menschen, in deren Schwerbehindertenausweis das Merkzeichen „RF“ steht, das sind Blinde, Hörgeschädigte und andere, deren Grad der Behinderung mindestens 80 Prozent beträgt. In die betroffenen Haushalte schickt die GEZ jetzt Flyer. Dort ist die Aufregung groß, denn der Inhalt der Informationen sagt aus: Künftig beteiligen sich auch Menschen mit Behinderung mit einem reduzierten Beitrag an der Rundfunkfinanzierung. Warum, das teilte das Projektbüro beim Südwestrundfunk, verantwortlich für die Begleitkommunikation zum neuen Rundfunkbeitrag, dem Tagesspiegel mit: „Der Gesetzgeber folgt höchstrichterlicher Rechtsprechung, die für eine Befreiung von der Beitragspflicht aus dem Gleichheitsgedanken heraus allein finanzielle Gründe und soziale Bedürftigkeit gelten lässt.“

Behinderte müssen vom 1. Januar 2013 an erstmals 5,99 Euro bezahlen (das ist übrigens der bisherige Betrag für Nur-Radiohörer). Die Verwandlung eines gebührenbefreiten in einen gebührenpflichtigen Seher und Hörer führt zu empörten Reaktionen: „Weiter gibt die GEZ noch an, die Gebühren (dann Beiträge) nicht zu erhöhen. Brauchen sie auch nicht, denn sie haben ja ein neues Klientel gefunden, das sie abzocken können“, heißt es in einem der Briefe. Aus den Schreiben spricht Ärger und zugleich die Furcht, dass es bei dem Monatsbetrag von 5,99 Euro nicht bleiben werde.

Mit diesen Mehrkosten für Radio und Fernsehen hat keiner der Betroffenen gerechnet. Die GEZ bleibt cool, sie selbst rechnet gar nicht mit dem Ergebnis, wonach dass die neu gefundene Gruppe an Beitragszahlern voll und ganz der Finanzierung von ARD, ZDF und Deutschlandradio zugute kommen wird. Es werde davon ausgegangen, heißt es bei der GEZ, dass in einer Vielzahl von Fällen auch die Voraussetzungen für eine Befreiung aus sozialen Gründen vorliegen werden, „so dass auf entsprechenden Antrag hin weiterhin eine vollständige Befreiung von der Beitragspflicht beansprucht werden kann“.

Die Gebühreneinzugszentrale folgt bei dieser Operation einer fragwürdigen Erwartung: Menschen mit Behinderung – von der Befreiung zur Ermäßigung „befördert“ – werden sich wiederum um eine Rückstufung in den Befreiungs-Modus bemühen. Jetzt aber nicht mehr gesundheitlichen, sondern aus sozialen Gründen. Bei der hohen Anzahl der Betroffenen könnte da ein gewaltiger Verwaltungsaufwand nötig werden. In den Haushalten, bei den Ämtern, bei der Gebühreneinzugszentrale selbst.

Aber die Behörde hält nicht nur die Hand auf, sie hilft auch. Die Antragsformulare für die Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht „sind ab November 2012 bei Städten und Gemeinden, bei zuständigen Behörden sowie im Internet unter www.rundfunkbeitrag.de erhältlich.“

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