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© WDR/Gerhard Baur

MESSNER-DOKU: Bruderzwist, Bruders Tod

ARD will die „wirkliche Geschichte“ der Messner-Tragödie im Himalaya zeigen.

Der jüngste deutsche Spielfilm über eine Bergbesteigung mit Todesfolgen ist dieser Tage in den Lichtspielhäusern angelaufen. Gedreht wurde er, wie im Vorspann verlautet, „nach den Erinnerungen von Reinhold Messner“, des Überlebenden der beiden Bergsteiger-Brüder, die sich im Juni 1970 im Rahmen einer Himalaya-Expedition am Nanga Parbat (8125 Meter) versuchten und von denen der jüngere, Günther, während des Abstiegs unter nicht geklärten Umständen umgekommen war. Ein ARD-Beitrag beansprucht, heute Abend die „wirkliche Geschichte“ zu liefern. Sie zeigt einen Film von Ludwig Ott, der größtenteils im Jahre 2004 fertiggestellt wurde: „Tod am Nanga Parbat – Die Messner-Tragödie“ heißt sein ins Dramatische spielender Titel.

Ott hatte Zugang zu den Schmalfilmaufnahmen von Gerhard Baur, einem Mitglied der damaligen Expedition, der als Letzter, in der Nacht und am Morgen vor dem Gipfelsturm, Kontakt mit den beiden Messners gehabt hatte. Im Interview schildert Baur die sorgsamen Vorbereitungen des einen, Reinholds, der sich eine Stunde vor Sonnenaufgang, ohne vorherige Absprache, zum Alleingang fertigmachte, und den fast ungestümen Entschluss Günthers, seinem Bruder nachzusteigen: „Der Reinhold, der macht immer, was er will“, lautet einer der Sätze, die Baur im Gedächtnis geblieben sind. Der Gipfel als Höhepunkt des Bruderzwists – so möchten nicht wenige der Expeditionsmitglieder die Geschehnisse vor 40 Jahren dargestellt wissen. In den Gesprächen mit dem Filmemacher stellen sie eine Mehrheit der Zeitzeugen dar, die, quantitativ überrepräsentiert und meist offen vor freundlichem naturnahen Hintergrund in die Kamera blickend, für Glaubwürdigkeit einnehmen soll. Reinhold Messner dagegen, stets in Innenräumen interviewt, wird von Ott eher distanziert von der Seite ins Bildfeld genommen.

Sichtlich misstraut er dem „Popstar der Berge“, wie er Messner nennt, und kann sich in den letzten Minuten seines Films den Vorwurf nicht verkneifen, dieser habe zuletzt die im Himalaya geltenden Bestattungsvorschriften übertreten. Als 2005 die sterblichen Überreste Günther Messners an einem Ort aufgefunden wurden, der Reinholds Version von dem unglücklichen Abstieg bestätigte, hatte dieser sie, angeblich den Landesgesetzen zuwider, vor Ort verbrennen lassen. Hier wären sicherlich noch Erkundungsarbeiten zu leisten. Dass sie in Ludwig Otts Film zu kurz kommen, liegt an einer heute für Dokus gängigen Methode: Originale Zeugnisse – hier die Filmaufnahmen von 1970 – werden mit nachgestellten Einsprengseln vermischt, ohne sie kenntlich zu machen. Und Interviews werden zu einer Mixtur von Ausschnitten und Einlassungen zusammengeschnitten, dass der Bogen des Erzählens und Erinnerns zerstört ist. Der Psychologie der Gesprächspartner, der „wirklichen“ Geschichte, kann das nicht immer gerecht werden.

„Tod am Nanga Parbat“, ARD, 21 Uhr

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