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Medien: Michaela May: Zwischen Saxofon und sozialem Engagement

Michaela May erzählt ein Märchen. Sie sitzt im Café Dukatz in München, die Sonne heizt den Salvatorplatz auf, die Schauspielerin hat einen kühlen Platz im Inneren des Cafés gewählt.

Michaela May erzählt ein Märchen. Sie sitzt im Café Dukatz in München, die Sonne heizt den Salvatorplatz auf, die Schauspielerin hat einen kühlen Platz im Inneren des Cafés gewählt. Sie spricht über den neuen bayerischen "Polizeiruf 110", den zweiten mit ihr als Ermittlerin. Unversehens gerät sie zu der Frage, was Unendlichkeit ist. Das Märchen, das sie in sanftem Bayerisch erzählt, hat sie mit elf Jahren gehört, bei den Dreharbeiten zu ihrem zweiten Film "Heidi". Sie spielte Heidis Freundin Klara, das Mädchen im Rollstuhl. Die Großmutter las das Märchen vor:

Der König sucht für seine Tochter einen Mann. Der muss drei Fragen beantworten. Wie lange reitet ein Reiter um die Erde? Wie viele Sterne stehen am Himmel? Wie lange dauert die Unendlichkeit? Nur ein Schäfer weiß die Antworten: Reist der Reiter mit der Sonne, so reitet er einen Tag. Sterne gibt es so viele wie Sandkörner auf dem Meeresgrund. Setzt man alle Berge der Welt aufeinander und ein Vogel wetzt alle tausend Jahre seinen Schnabel daran, dann ist eine Sekunde der Unendlichkeit verstrichen, wenn der Berg abgetragen ist. Fragen wie die nach der Ewigkeit verweisen die Schauspielerin "auf eine Kraft, die alles geschaffen hat und alles zusammenhält".

Michaela May ist katholisch getauft und trägt an ihrer Halskette ein Kreuz, sie hat einen jüdischen Mann und feiert mit ihrer Familie die christliche Weihnacht ebenso wie das jüdische Pessach. Ihre Tochter hat in Asien die Begegnung mit dem Buddhismus gesucht. "Meine Gläubigkeit ist keine kirchlich gebundene", sagt die 49-Jährige. Michaela May glaubt nicht an Wiedergeburt, sondern daran, dass jeder Mensch Spuren hinterlässt. "Es ist unsere Aufgabe, zu geben und zu nehmen, intellektuell, emotional und sozial."

Vom Geben und Nehmen, dem Engagement und seinen Fallstricken erzählt auch der Polizeiruf "Fluch der guten Tat", der heute um 20 Uhr 15 in der ARD läuft. Die Münchner Polizeirufe gehören zu den anspruchvollsten der Reihe; der letzte, "Gelobtes Land" über Flüchtlinge, wurde jetzt von der Menschenrechtsorganisation amnesty international ausgezeichnet.

In "Fluch der guten Tat" wird der junge Roma Arpad Nagy erstochen. Die Kommissare Jo Obermaier (Michaela May) und Jürgen Tauber (Edgar Selge) ermitteln bei "Integra", einem Projekt, das die Ausbildung schwer vermittelbarer Jugendlicher fördern will, in erster Linie aber der Selbstverwirklichung einer Industriellentochter dient. Michaela May ist froh, dass dieser Aspekt nicht der Schere zum Opfer gefallen ist. Sie kennt den Zwiespalt zwischen Geltungssucht ("Natürlich sind wir Schauspieler alle Egomanen") und nützlicher Popularität ("Prominente können effektiv mehr Geld einsammeln als Frau Müller oder Herr Mayer"). Allerdings müssten sie sich gut überlegen, welches Projekt sie unterstützten: "Die Damen der Gesellschaft, die sich reinwaschen wollen, handeln nicht unbedingt sinnvoll."

Auch Michaela May nutzt ihre Popularität: Sie engagiert sich für die Mukoviszidose-Forschung. Die Stoffwechselkrankheit wirkt sich auf die Lunge aus, die Kinder können schlecht atmen und müssen mehrere Stunden täglich inhalieren. Mukoviszidose stiehlt Zeit, verkürzt das Leben. Sie ist erblich, und daher hat Michaela May eine klare Meinung zur umstrittenen Genforschung: "Genetische Manipulation sollte in der Medizin nur eingesetzt werden, wenn Krankheiten wie Mukoviszidose besiegt werden."

Die Verständigung zwischen jungen und alten Menschen liege ihr ebenfalls am Herzen, sagt die zweifache Mutter und gelernte Kindergärtnerin. Sie möchte ein Schulprojekt anregen, bei dem die Schüler regelmäßig in Altenheime gehen und sich mit den an den Rand gedrängten alten Menschen auseinander setzen. Sie möchte die Idee populär machen, auch bei den verantwortlichen Politikern, "denn das müsste vom Lehrplan her gelenkt werden". Mit dem Verständnis der Jüngeren würde sich auch die Lebenssituation der Älteren bessern.

Ihr eigenes Älterwerden erleichtert Michaela May den Weg zu Charakterrollen. "Man hat mich oft als schöne Liebende besetzt", sagt die Frau, die neben "Monaco Franze" und "Kir Royal" etwa 300 Film- und Fernsehrollen hatte, "aber es ist vielleicht eine Altersfrage, dass ich größere Fallhöhen und differenzierte Charaktere spielen will."

So entwirft sie auch Ideen für Drehbücher, "um dahin zu kommen, wo Unterhaltung ihren Wert hat". Ihre erste Arbeit ist vor einigen Jahren allerdings gescheitert: Michaela May hatte, inspiriert von Oriana Fallacis "Brief an ein ungeborenes Kind", ein Buch über eine Frau geschrieben, die ein Kind von einem ungeliebten Mann erwartet und abtreibt. Zu harter Stoff für "Das kleine Fernsehspiel" des ZDF, das Lustigeres bevorzugt habe. Die Münchnerin möchte mit ihren Rollen aber unterhalten und dabei, wenn auch "ohne Fingerzeig, Probleme aufgreifen, die unter den Nägeln brennen". So ähnlich wie auch im "Polizeiruf 110".

Die Rolle der bayerischen Kriminalhauptkommissarin Jo Obermeier ist mit Michaela May alles andere als konträr besetzt. Die Themen sind ambitioniert, die Krimis spannend, die Charaktere vielschichtig. Jo Obermeier hat einen türkischen Mann und eine halbwüchsige Tochter, agiert unerschütterlich und beharrlich, und sie ist der beruhigende Gegenpart zu dem zynischen Kommissar Tauber, den Edgar Selge spielt.

Auftritte beim "Traumschiff" des ZDF sind aber immer noch drin. Anfang des Jahres hat Michaela May in Chile gedreht: "Ohne die Arbeit würde ich nie eine Schiffsreise machen, aber so genieße ich das." Wenn die Schauspielerin privat verreist, nimmt sie ihre Kamera mit. Sie liebt Strukturen, Wasser, Rinde, Gesichter, Hände, die sie schwarzweiß fotografiert. Und sie bläst Saxofon, "weil ich sehr aus dem Bauch raus spielen und unheimlich viel Seele hineinlegen kann". Michaela May möchte wiedererkannt werden, was immer sie auch macht.

Antje Schmitz

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