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Das wird lustig? Hubert (Josef Hader, links vorne) plus Anhang treffen bei seiner Mutter ein, um deren 80. Geburtstag zu feiern.

© SWR/ORF/Stefan Haring

Mittwochsfilm "Die Notlüge": Haltung und Hader

Die ARD-Komödie „Die Notlüge“ mit Josef Hader und Pia Hierzegger reibt sich an der Patchwork-Familie. Die Beiden sind auch privat ein Paar.

„Die Hölle, das sind die anderen." Ob Jean-Paul Sartre, der französische Existenzialist und Dramatiker, dabei auch an die Familie gedacht hat? Für den Hubert (Josef Hader) jedenfalls trifft das Bonmot voll und ganz zu. Der erfolgreiche Medienmann sitzt in der Hölle aus Verwandtschaft und Noch-nicht-ganz-Exfrau mit weiterem Anhang. Huberts Mutter Marianne (Christine Ostermayer) wird 80. Eigentlich hat Hubsi, wie sie ihn alle nur nennen und wie’s auch an seinem Auto auf dem Wiener Kennzeichen hübsch unübersehbar vermerkt ist, ja gar keine Zeit.

Der Hubsi-Hubert hat eigentlich nie Zeit als Medienmensch und TV-Anchor. Immer ruft der Sender. Doch nun, wo die Mama 80 wird, nun gilt es, zu ihr zu fahren ins beschauliche Grazer Vorstadt-Idyll mit Vorgarten und miauender Nachbarskatze, um sie dort hochleben zu lassen.

Und so fahren der Hubert und seine neue burschikose Freundin Patricia (Pia Hierzegger, die auch das Drehbuch verfasste) mitsamt der erneut schwangeren Helga (Brigitte Hobmeier), deren neuem Freund Wolfi (Andreas Kiendl), einem penetrant politisch und auch sonst überkorrekten Bio-Vegetarier und Wir-haben-uns-alle-lieb-Menschen, sowie weiterer Familie zu Mutter Marianne. Und die staunt nicht schlecht, wen ihr Bub da so alles unbekannterweise noch mitbringt, zumal: „Ja, Berti, so schaust du also in Wirklichkeit aus! Ich seh dich ja nur mehr im Fernsehen“, ist nur eine der vielen kleinen süffisant-ironisch-spitzzüngigen Dialogzeilen, die den Film „Die Notlüge“ durchziehen.

Und selbst jetzt, wo sie sich sehen, bauen das Wiedersehen und das Kennenlernen der anderen neuen Familienmitglieder auf einem großen Lügenkonstrukt auf, der titelgebenden Notlüge: Da die Helga wieder schwanger ist, denkt Mutter Marianne, ihr Sohn Hubert sei der Vater. Zumal der Hubsi-Hubert es bislang partout nicht geschafft hat, der Mutter zu gestehen, dass Helga und er sich scheiden lassen wollen und beide längst neue Partner haben, die kecke Patricia und den weniger kecken Wolfi.

Vermeintlich heile Patchwork-Welt

Und so wird aus der zunehmend fremdelnden Patricia im Moment der völlig verkrampften Vorstellung plötzlich die Schwester vom Wolfi, na, und der Wolfi ist halt der bislang unbekannte Bruder von der Helga. Ganz einfach ist das. Vermeintlich heile Patchwork-Welt.

Mama Marianne akzeptiert’s nonchalant, was nun folgt, ist ein sardonischer Reigen aus Lug und Trug, aus Schau und Spiel, aus Sticheln und Stacheln. Dabei kommen an diesem quälend langen Geburtstag am Mittagstisch und bei Kaffee und Kuchen Verletzungen zutage, seit Jahren gärende Missverständnisse und Unwahrheiten. Eine ganze Zeit lang sieht es so aus, als bliebe irgendwann kein Stein mehr auf dem anderen. Es wird sich verbal entblößt und entblödet. Wortwitz und Wortwahnsinn geben sich die Hand.

Irgendwann scheint ob aller ausgetauschten Bösartigkeiten nahezu jeder jeden zu verabscheuen. Erst als allmählich die Erkenntnis die Runde macht, dass doch jeder einfach nur gesehen, wahrgenommen und eben geliebt werden will – ob es Marianne mit ihren 80 Jahren ist, der TV-Promi Hubsi, seine Frauen oder auch die drei Kinder, die wechselnd um Aufmerksamkeit buhlen –, erst in diesem Moment ändert sich etwas. Und genau das arbeitet die österreichisch-deutsche Koproduktion „Die Notlüge“, inszeniert von Marie Kreutzer, heraus, größtenteils schön schmerzlich, mal herrlich subtil, mal herrlich polternd, von einigen kürzeren luftleeren Momenten und einem doch zu versöhnlichen Ende einmal abgesehen. Der Mensch, dieses sensible, zerbrechliche, verletzbare Wesen.

Dass Josef Hader und Pia Hierzegger – die bereits in „Der Knochenmann“ (2009), „Aufschneider“ (2010) sowie in Haders Regiedebüt „Wilde Maus“ (2017) zusammen spielten – auch im privaten Leben ein Paar sind und in dieser Fiktion hier eines spielen, das erst noch dabei ist, sich abzutasten, sich abzusichern, mag nur eine kleine Randnotiz sein. Wenn auch eine wichtige, weil man dem stets wunderbar gebrochenen, vielschichtigen Hader noch einmal anders zusieht.

„Die Notlüge", ARD, Mittwoch, um 20 Uhr 15

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