zum Hauptinhalt
Louisa von Minckewitz

© Promo

Model-Agenturchefin Louisa von Minckwitz: "Heidis Show macht keine Topmodels“

Agenturchefin von Louisa von Minckwitz spricht im Interview über den Wert von Castings, Magersucht und Männer, die sich eincremen.

Frau von Minckwitz, die Sendung heißt zwar „Germany’s Next Topmodel“, aber kann man mit so einer Casting-Show überhaupt Topmodels finden?

Generell ist es unheimlich schwer, Topmodels zu finden. Es gibt kaum welche. Denn ein richtiges Topmodel arbeitet international, läuft mit bei Modeschauen namhafter Designer wie Karl Lagerfeld, John Galliano oder Roberto Cavalli und wird anschließend für deren Kampagnen fotografiert. Innerhalb von 50 Jahren hat es in Deutschland nur wenige gegeben, die sich Topmodels nennen dürfen.

Und wer gehört dazu?

Eine der ersten war Veruschka Gräfin von Lehndorff, dann kamen Claudia Schiffer, Nadja Auermann und Tatjana Patitz. Heute macht Julia Stegner Karriere. Man muss viel Glück haben, um solch ein Mädchen zu finden. Sie sind der Rolls-Royce in der Modebranche.

Sind die Gewinnerinnen aus den ersten beiden Staffeln, Lena Gercke und Barbara Meier, also bislang nur ein Mercedes?

Ja, das kann man so sagen. Natürlich wird man auch nicht von heute auf morgen ein Topmodel. Aber von meinen Agenten, mit denen ich im Ausland zusammenarbeite, kennt keiner Barbara Meier oder Lena Gercke. Vielleicht kommt das ja noch.

Bei „Germany’s Next Topmodel“ dürfen zum Schluss die Zuschauer entscheiden, wer gewinnt. Würden die denn überhaupt ein Mädchen wählen, das Chancen auf eine Karriere als Topmodel hätte?

Vermutlich nicht. Die Deutschen lieben das natürliche Mädchen, so einen Heidi-Klum-Typ: natürlich, frisch, lachend, sympathisch, das Mädchen von nebenan. Die Franzosen mögen es dagegen gerne markant, eher Typen als schön und glatt. Ein Topmodel muss aber allen Nationen gefallen, das ist ja die Voraussetzung, um weltweit für Kampagnen gebucht zu werden. Und bei Modeschauen sind jetzt gerade androgyne, sehr dünne Mädchen gefragt. Die würden bei den TV-Zuschauern wohl nicht so gut ankommen.

Die Sendung gibt vor, die Kandidatinnen auf die Modelbranche vorzubereiten. Ihnen wurde gezeigt, wie sie sich auf dem Laufsteg bewegen sollen, es wurden Unterwasserfotos gemacht. Müssen Models so etwas beherrschen?

Laufstegtraining ist eine gute Sache. Aber ich glaube nicht, dass wir jemals unsere Models für Unterwasserfotos vermittelt haben. Aber so etwas sieht natürlich im Fernsehen spektakulär aus.

Und was ist mit dem manchmal harten Umgangston?

So, wie mit den Kandidatinnen in dieser Sendung umgesprungen wird, würden wir nie mit unseren Mädchen umgehen. Das würde keine deutsche Modelagentur. Wir würden uns auch nie vor ein Mädchen hinstellen und sagen: „Du bist zu fett.“ Wir setzen uns nett mit den Mädchen zusammen und erklären ihnen, warum sie beispielsweise an der Hüfte ein wenig abnehmen müssen.

Immer wieder wird die Sendung dafür kritisiert, dass sie mit den dünnen Teilnehmerinnen ein falsches Schönheitsbild propagiert. Werden Zuschauerinnen dazu verleitet, einem möglicherweise krankhaften Ideal nachzueifern?

Ein Model muss nun mal groß und dünn sein, einen schlanken und feingliedrigen Körperbau mit einer schmalen Hüfte haben und in Konfektionsgröße 36 passen. Sonst sitzt ihnen die Kleidung der Designer nicht. Aber dünn sein hat nichts mit Magersucht zu tun. Magersucht ist eine Krankheit, die eine psychische Ursache hat. Ich glaube deshalb nicht, dass die Show jemanden zur Magersucht verleitet.

Hat „Germany’s Next Topmodel“ auch deshalb so viel Erfolg, weil sie die Zuschauer ein Stück weit mitnimmt, in die scheinbar so traumhafte Welt der Modelbranche?

Zunächst einmal sehen die Deutschen Leute gerne im Fernsehen leiden. Wie bei anderen Casting-Shows auch, suchen sie sich eine persönliche Favoritin und fiebern mit ihr mit. Aber natürlich werden bei „Germany’s Next Topmodel“ auch Sehnsüchte bedient, selbst Teil der glamourösen Modelbranche zu sein und hinter die Kulissen blicken zu können. Und sei es nur für 90 Minuten.

Ist diese Welt tatsächlich so schön, wie jeder denkt?

Es ist ein harter Job, keine Traumwelt. Wer empfindet es denn auf Dauer als angenehm, heute für drei Tage nach Südafrika zu fliegen, morgens um fünf Uhr aufzustehen, um sechs in der Schminke zu sitzen, bis abends zu fotografieren, todmüde ins Bett zu fallen, und am nächsten Tag geht es weiter. Ständig muss man sich auf neue Menschen einstellen. Da muss man vor allem als junges Mädchen äußerst diszipliniert sein und eine gute Gesundheit besitzen.

Bruce Darnell hat den Kandidatinnen früher Mut zugesprochen, jetzt hat er in der ARD seine eigene Sendung und ist nicht mehr an der Seite von Heidi Klum. Wird er fehlen?

Ja, ich fand Bruce Darnell immer äußerst witzig, er hat der Sendung ein gewisses Flair gegeben. Das Zusammenspiel zwischen ihm, den anderen Jury-Mitgliedern und Kandidatinnen war perfekt. Wie es jetzt wird, weiß ich nicht.

Heidi Klum will nun das Laufstegtraining übernehmen. Aber war sie selbst denn jemals ein Topmodel?

Nein, in meinen Augen nicht. Sie ist nie bei den Schauen der internationalen Designer mitgelaufen oder in deren Kampagnen gesehen worden. Ihre Karriere startete erst mit „Sports Illustrated“, wo sie auf dem Titelblatt war, dann wurde sie das Aushängeschild für die Dessous- Marke „Victoria’s Secret“. In Deutschland ist Heidi Klum vor allem als Werbe-Ikone bekannt und hat eine tolle Karriere hingelegt.

Bei „Germany’s Next Topmodel“ wurden bisher nur weibliche Models gesucht. Würde so eine Sendung auch für Männer funktionieren?

Sicher, ich würde eine solche Show sofort einschalten. Und es gibt einige Männer, die gerne Model werden möchten, aber den Schritt nicht wagen. Leider wird es in Deutschland von Arbeitgebern immer noch als komisch empfunden, wenn ein Mann als Model gearbeitet hat. Bei Frauen wird das eher akzeptiert. In Amerika ist das anders. Aber glücklicherweise sind auch hier die Männer auf dem Vormarsch. Immerhin stecken sie langsam mal ihre Finger ins Cremetöpfchen.

Das Interview führte Sonja Pohlmann. „Germany’s Next Topmodel“, Pro Sieben, 20 Uhr 15

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false