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Judith Rakers, 35, ist „Tagesschau“-Sprecherin und moderiert zusammen mit Giovanni di Lorenzo die Talkshow „3 nach 9“. Im Mai wird sie an der Seite von Stefan Raab und Anke Engelke die beiden Vorentscheide und das Finale des Eurovision Song Contest (ESC) in Düsseldorf auf der großen Bühne präsentieren.

© picture alliance / dpa

Moderatorin Judith Rakers: "Ich mach’ mich da nicht nackig"

ARD-Moderatorin Judith Rakers über den Eurovision Song Contest, die Glaubwürdigkeit der "Tagesschau", Stefan Raab und Lena.

Frau Rakers, waren Sie überrascht, als Sie für die Moderation des Eurovision Song Contests in Düsseldorf angefragt wurden?

Ja, ich war sehr überrascht. Ich habe auch kurz überlegt, ob ich richtig verstanden hatte. Denn die erste Frage von Thomas Schreiber, dem ARD-Unterhaltungschef, war: „Wie gut sprechen Sie englisch und französisch?“ Als ich dann sagte „Englisch sehr gut, Französisch hatte ich in der Schule, müsste ich wieder auffrischen, aber Italienisch geht ganz gut. Warum?“ meinte er: „Na, italienisch wird nicht gesprochen beim Eurovision Song Contest.“

Dann war sicher kurz ein Moment Ruhe am Telefon …

... das war das erste Sondierungsgespräch, ein paar Wochen später kam der Anruf, dass die ARD-Intendanten beschlossen haben, dass ich es machen soll. Da sagt man nicht Nein, sondern sieht zu, dass man sich die Sachen draufschafft. Ich war jetzt noch mal zwei Wochen auf einer Sprachschule in Paris. Wir werden wohl in erster Linie englisch sprechen, weil das die Sprache des ESC ist. Aber es gibt diese schöne Tradition mit den berühmten „douze points“, vielleicht kann ich ein paar Sätze mit den französisch-sprechenden Kandidaten wechseln. Manche finden das vielleicht übertrieben, aber ich wollte mich gut vorbereiten. Und im Herbst kurz nach dem Gespräch mit Thomas Schreiber stellte sich heraus, dass Italien nach 13 Jahren wieder zum ESC zurückkehrt.

Gibt es schon ein Moderationskonzept?

Das darf ich noch nicht verraten. Das ist die weltgrößte Musikshow, die wir da in Deutschland produzieren, dabei soll es auch ein paar Überraschungsmomente geben.

Sie haben Stefan Raab und Anke Engelke bei einem Fotoshooting für die ersten ESC-Pressefotos in Köln schon kennengelernt. Bereits 2008 hatte Stefan Raab Sie zu seiner Show „TV total“ eingeladen, weil er dort eine Panne mit Ihnen im Morgenmagazin gezeigt hat. Der Teleprompter war plötzlich rückwärts gelaufen, und Sie hatten versucht, das mit einem Pedal unterm Tisch zu korrigieren. Raabs Kommentar: „Da merkt sie, dass unterm Tisch Jens Riewa kniet und ihr die Stiefel leckt.“ Sie sind damals nicht hingegangen. Wie war das Aufeinandertreffen jetzt?

Zuerst war es eine komische Situation für mich, weil Stefan und Anke sich ja schon ewig kennen und ich neu dazukam, aber dann wurde es sehr schnell sehr lustig. Man hat ja so ein Bild von demjenigen vor der Kamera. Oft stimmt das überein mit der Persönlichkeit, aber manchmal auch nicht. Wir haben während des Fotoshootings so viel gelacht, so dass viele Fotos unbrauchbar waren, weil da zu viel Quatsch drauf passierte. Ich bin also mit offenen Armen empfangen worden. Und Stefan Raab konnte sich gar nicht mehr an meine Panne im Morgenmagazin erinnern. Ich allerdings schon (lacht).

Wer könnte Lena mit ihrem Song für Deutschland gefährlich werden?

Da ich Moderatorin bin, muss ich ganz neutral sein. Ich wünsche Lena natürlich Glück, genauso wie allen anderen auch. Ich finde grundsätzlich alles interessant, was da vorgeführt wird, weil es wie ein Fenster in die Welt der verschiedenen Länder ist. Es gibt Nationen, die schicken jemanden, der gerade dort in den Charts ist. Und dann gibt es die Musik, die extra für den ESC geschrieben wird. Eine Zeit lang war das stärker. In den letzten Jahren haben oft diejenigen gewonnen, die einfach anders waren.

Wie diese finnische Hardrockband Lordi.

Genau. Ein anderer kommt frisch aus einer Castingshow, wieder andere sind seit 20 Jahren im Geschäft. Jetzt haben wir diese Klassik-Crossover-Nummer aus Frankreich und Lena mit diesem Lied, das wirklich speziell ist, auch von der Stimmung her. Das wird interessant

Immer wieder wird über den Sinn des ESC diskutiert. Welchen Zweck hat das Ganze eigentlich?

Den gleichen wie die Fußball-WM. Man feiert gemeinsam ein großes Event. Ich habe diese besondere ESC-Stimmung schon im März erlebt, als ich die Startnummern-Auslosung moderiert habe. Alle 43 Delegationsleiter waren dabei, im Düsseldorfer Rathauskeller wurde am Abend zuvor gefeiert. Die Leute kennen sich zum Teil schon lange, es war ein großes Gewusel von Stimmen und verschiedenen Persönlichkeiten. Alle haben ein Ziel, nämlich diesen ESC gut hinzukriegen. Für mich ist das mein Job, ich nehme das alles ernst, ich will das durchdringen. Und an diesem Abend habe ich gesehen, das geht manchen genauso, aber für andere ist es einfach eine Riesenparty, ein großer Spaß. Und damals in Hamburg, als hier auch Spiele der Fußball-Weltmeisterschaft liefen, habe ich für das „Hamburg Journal“ moderiert und anfangs gedacht: „Oh nee, den ganzen Sommer Fußball, wie schrecklich! Und ich muss immer darüber berichten.“

Wie haben Sie das überstanden?

Während der WM bin ich zum totalen Fußballfan geworden, weil mich die Stimmung mitgerissen hat. Wenn man abends in den Beach Clubs unterwegs war, traf man Leute aus allen Ecken der Welt. Überall war man freundlich, es gab sofort ein Thema. Das ist beim ESC genauso. Ich hoffe, dass sich alle begeistern lassen und sagen: „Wir haben ein Riesenfest, wir sind Gastgeber für Europa.“ In Neuseeland und Australien ist der ESC übrigens auch ein großes Fernsehereignis.

Spielt es eine Rolle für das Lampenfieber, dass 120 Millionen Menschen zuschauen?

Ob es zehn Millionen sind wie bei der Tagesschau, eine Million wie bei meiner Talkshow „3 nach 9“ oder jetzt 120 Millionen – letztlich ist das für mich eine abstrakte Zahl. Lampenfieber-relevant sind dann schon eher die rund 35 000 Menschen in dieser Riesenhalle.

Wie gehen Sie damit um?

Das ist neu für mich. Außerdem spüre ich die Verantwortung, so zu moderieren, dass es in verschiedenen Kulturkreisen als angenehm empfunden wird. Beim ESC habe ich es mit einem europäischen Publikum zu tun, die Geschmäcker in Italien oder der Ukraine sind anders als in den skandinavischen Ländern. Selbst innerhalb der verschiedenen Länder ist das Publikum heterogen: Für die einen ist der ESC eine Kultveranstaltung, für die anderen ein ernsthafter Musikwettbewerb.

Wie ist die „Tagesschau“-Chefredaktion mit Ihrer Berufung zur ESC-Moderatorin umgegangen?

Da auf höchster Ebene entschieden wurde, von Intendanten und Programmdirektoren, musste ich nicht extra um Erlaubnis fragen. Und da ich mich nicht nackig machen werde auf der Bühne, ist die Glaubwürdigkeit der „Tagesschau“ nicht gefährdet. Beim ESC passiert Ähnliches wie bei „3 nach 9“: Ich treffe auf unterschiedlichste Charaktere aus dem öffentlichen Leben. Da wird mir meine Reportererfahrung helfen. Letztlich komme ich mit dem ESC zu meinen journalistischen Wurzeln zurück: Während des Studiums in Münster habe ich beim Radio gearbeitet und Musiksendungen moderiert.

Könnten Sie sich vorstellen, noch stärker in den Bereich Show zu wechseln?

Nein. Im Laufe der Zeit gab es immer mal Angebote. Ich bin da, wo ich bin, weil ich da sein möchte. Für mich war es wichtig, dass nun akzeptiert wird, dass ich neben der „Tagesschau“ auch eine Talkshow mache, weil das beide Seiten meiner Persönlichkeit befriedigt. Aber ich sehe mich nicht als Showmaster. Ich hab mal eine Tanzshow für den NDR gemacht, das war ganz schrecklich. Das war eine schöne Sendung, aber nicht für mich.

Das Gespräch führte Simone Schellhammer

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