zum Hauptinhalt
Zentralkomitee der Gemütlichkeit. Karl Moik (links) gründete 1981 den „Musikantenstadl“, seit 2006 moderiert Ex-Schlagersänger Andy Borg.

© Ursula Düren/dpa

Musikantenstadl: "Ein merkwürdiges Hassobjekt"

Pure Qual, reine Freude oder einfach nur unkaputtbar? Ein Gespräch mit der BR-Unterhaltungschefin über 30 Jahre "Musikantenstadl".

Frau Siebenbürger, der „Musikantenstadl“ feiert sein 30-jähriges Jubiläum. Was macht den „Stadl“ unkaputtbar?

Der „Musikantenstadl“ wird von einer breiten Zielgruppe getragen, die für dieses Genre eine Leidenschaft hat. Viele Menschen haben ein Bedürfnis nach dieser Art von Melodien und Texten haben, nach positiver, leichtfüßiger Unterhaltung.

Wie finden Sie persönlich Volksmusik? Sagt Ihnen das etwas?

Mir sagt Volksmusik: Millionen Menschen freuen sich auf sie. Sie ist populär. Und das freut mich als Programmmacher. Ich muss unterschiedlichen Interessen eine Plattform geben. Jeder akzeptiert, dass Klassikfans nicht unbedingt auf Rockkonzerte gehen und ein Rockmusiker wahrscheinlich mit Schlagern nichts anfangen kann. Da ist es doch schon verwunderlich, ausgerechnet immer den Fans der Volksmusik – wobei wir hier von volkstümlicher Musik sprechen – eine Geschmacksverirrung zu unterstellen, anstatt zu akzeptieren, dass inhaltliche Neigungen eben unterschiedlich sind.

Sie nennen im Presseheft als wesentlichen Grund für den dauerhaften Zuspruch die „hohe Authentizität“ des „Musikantenstadls“. Was meinen Sie damit genau?

Die Zuschauer spüren, dass die Darsteller und der Moderator zu 100 Prozent hinter dem stehen, was sie tun. Und sie spüren, dass es sich bei dem anwesenden Publikum um überzeugte und begeisterte „Stadl“-Fans handelt.

ARD-Programmdirektor Volker Herres feiert den historischen Erfolg, er erinnert an den „Stadl“ in der Verbotenen Stadt in Peking, im sowjetischen Moskau. Die Sendung habe Fernsehgeschichte geschrieben. Was wird der nächste große Kracher sein? Ein „Stadl“ in Teheran, ein „Stadl“ in Pjöngjang?

Unser nächster „Stadl“ findet am 7. Mai 2011 im kroatischen Porec statt.

In Dänemark landete kürzlich ein deutsches Volksmusikstück auf Platz eins der Hitliste. Ein Hammer, oder?

Annette Siebenbürger ist Unterhaltungschefin beim Bayerischen Fernsehen und in der ARD verantwortlich für den „Musikantenstadl“, der mit ORF und Schweizer Fernsehen produziert wird.
Annette Siebenbürger ist Unterhaltungschefin beim Bayerischen Fernsehen und in der ARD verantwortlich für den „Musikantenstadl“, der mit ORF und Schweizer Fernsehen produziert wird.

© BR

Das beweist zumindest, dass deutsche Volksmusik nicht auf den deutschsprachigen Raum begrenzt ist, sondern die Musik eine länderübergreifende Sprache spricht.

Warum darf man den „Stadl“ eine einfache Fernsehsendung nennen, keinesfalls aber eine „einfältige“?

In meinen Augen ist der „Stadl“ weder einfach noch einfältig. Es ist eine mit viel Herzblut und Professionalität hergestellte Sendung.

Welche Heile-Welt-Klischees erfüllt eine Volksmusiksendung wie kein zweites Format?

Es gibt eine Reihe von Formaten, die es den Zuschauern ermöglichen, in einer immer komplizierter werdenden Welt einmal entspannen zu können. Dieses Bedürfnis können die Zuschauer übrigens genreübergreifend befriedigen: Das kann ein Spiel- oder Heimatfilm, eine Familienserie oder eben der „Musikantenstadl“ sein.

Welche Sehnsüchte werden da erfüllt? Werden Sehnsüchte erfüllt?

Jede Unterhaltungssendung erfüllt Sehnsüchte und Bedürfnisse, die mit Emotionen zu tun haben. Egal, ob es sich um Spaß, Ablenkung oder Anregung handelt.

Wieso gibt es Volksmusik im Ersten und in den Dritten der ARD – aber in keinem einzigen Privatfernsehprogramm?

Weil die Öffentlich-Rechtlichen als Vollprogramm einen gesellschaftlichen Auftrag zu erfüllen und damit auch Sendungen für ein Massenpublikum anzubieten haben, das sich nicht ausschließlich an die werberelevante Zielgruppe von 14 bis 49 Jahren wendet.

Könnten Sie verstehen, wenn manche zum Weinen nach nebenan gehen, wenn im Wohnzimmer der „Stadl“ läuft oder sagen: Kitschiger, verlogener geht es nicht?

Ich kann es nicht verstehen, aber ich kann es akzeptieren. Jedem steht es frei, den Knopf der Fernbedienung an-, um- oder auszuschalten. Alternativen gibt es doch genug.

Andy Borg, der aktuelle Moderator, wurde als Andreas Meyer geboren. Was ist an Meyer so schlecht?

Warum hat sich Stefani Gabriella Germanotta in Lady Gaga umbenannt, warum William Jefferson Blythe in Bill Clinton, Bernd Weidung in Thomas Anders, Herbert Ernst Karl Frahm in Willy Brandt oder Norma Jean Mortensen Baker in Marylin Monroe?

Ist der „Stadl“ der Motor eines gewaltigen Business namens Volksmusik oder laufen Sie der Entwicklung nur hinterher?

Jede Musikrichtung ist unbestritten auch ein Wirtschaftsfaktor. Aber eine erfolgreiche Musiksendung kann nur entstehen, wenn zuvor die Inhalte eine breite Akzeptanz gefunden haben. Unsere Aufgabe als Senderverantwortliche ist es, zu beobachten, welche Marktinteressen es gibt. Sendungen wie der Musikantenstadl sind also kein Motor, sondern dokumentieren und begleiten allenfalls eine Entwicklung und ein Zuschauerbedürfnis.

Der ewige Konkurrent der ARD, das Zweite Deutsche Fernsehen, hat den Anteil der Volksmusiksendungen deutlich reduziert. Deutet sich da etwa eine Wende an?

Wir sehen keine Wende.

Hat der „Musikantenstadl“ nördlich der Main-Linie überhaupt Zuschauer? In Berlin sieht doch bestimmt keiner zu – wir sind schließlich Hauptstadt mit Niveau!

Der „Musikantenstadl“ ist selbstverständlich auch nördlich des Mains gefragt: So erreichte er zum Beispiel 2010 in Berlin durchschnittlich einen Marktanteil von 13 Prozent. Damit liegt Berlin zwar nicht ganz vorne im Vergleich zu den anderen Bundesländern, aber auch nicht ganz am Ende. Generell erreicht das Zuschauerinteresse in den Bundesländern deutlich zweistellige Marktanteile. In Thüringen liegt der Marktanteil gar bei 26 Prozent.

Darf man den „Stadl“ hassen, oder geht Ihnen das zu weit?

Über die Gefühle anderer Menschen kann und möchte ich nicht befinden. Eine Fernsehsendung wäre für mich jedenfalls ein merkwürdiges Hassobjekt.

Werden wir uns also an den Gedanken gewöhnen müssen: Volksmusik for ever and ever?

Seit 30 Jahren gibt es den „Stadl“, der damals wie heute eine hohe Zuschauerresonanz erfährt. Solange der „Musikantenstadl“ so treue Zuschauer und Fans hat, wird es ihn auch weiterhin geben.

Das Interview führten Thomas Eckert und Joachim Huber.

„30 Jahre Musikantenstadl“. 20 Uhr 15, ARD

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false