zum Hauptinhalt

Medien: Musil remixed

In einer Mammut-Produktion hat der BR den „Mann ohne Eigenschaften“ zum Hörspiel gemacht

Nach den Produktionen „Der Zauberberg“ und „Moby Dick“ hat der Bayerische Rundfunk mit „Der Mann ohne Eigenschaften“ ein weiteres Hörspiel-Großprojekt umgesetzt. Zwei Jahre dauerte die Adaption des unvollendeten Jahrhundertromans von Robert Musil. Das Ergebnis ist kein Hörspiel im klassischen Sinne, sondern eine Montage aus unterschiedlichem Text- und Tonmaterial – ein Remix, wie man neudeutsch sagt. „Mit der Offenheit dieser Form wollten wir dem Fragmentcharakter des Werks entsprechen“, erklärt Katarina Agathos das Konzept, das sie in Zusammenarbeit mit Herbert Kapfer entworfen und mit Regisseur Klaus Buhlert umgesetzt hat.

Die Grundlage des Remix bilden szenisch und erzählerisch aufbereitete Textsequenzen aus den beiden 1930 und 1933 veröffentlichten Bänden des Romans. Drei Monate dauerten allein die Sprachaufnahmen für diesen sogenannten kanonischen Teil des „Mann ohne Eigenschaften“. Zwanzig Schauspieler wie Josef Bierbichler, Ulrich Matthes, Sunnyi Melles und Manfred Zapatka sprachen teilweise mehrere Wochen lang im Studio ihre Texte ein. Zu diesem Tonmaterial in Bezug gesetzt wurden Interviews und – teils witzige, teils kritische – Stellungnahmen von Musil-Forschern und Autoren. Neben dem Musil-Biographen Karl Corino oder den Literaturwissenschaftlern Inka Mülder-Bach und Joseph Vogl macht sich Roger Willemsen Gedanken zum Roman und schreibt ihn in die Gegenwart fort. Die Filmemacher Volker Schlöndorff und Alexander Kluge fantasieren sich eine mögliche Verfilmung des Musilschen Stoffs zurecht und Walter Fanta spricht über sein Drehbuch zum „Mann ohne Eigenschaften“. Er sieht in Musils Werk „einen Politthriller, der mit Elementen des Actionfilm spielt“. Ein Höhepunkt des Remix: Die österreichische Dramatikerin und Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek schrieb einen Monolog, den sie dem Massenmörder Moosbrugger in den Mund legte und selbst im Studio einlas.

Musil, der fast zwanzig Jahre lang an seinem Romanfragment arbeitete, hinterließ nach seinem Tod 1942 einen 6000 Seiten starken Nachlass. Im Bemühen, das Schreibexperiment Musils in seiner Gesamtheit darzustellen, haben Kapfer und Agathos Tagebucheinträge, Entwürfe, Studienblätter und Vorstufen des Romans durchgearbeitet und mit der Stimme von Manfred Zapatka in die Gesamtkonzeption einfließen lassen. „Musil hat einen richtigen Bauplan für seine Romanarchitektur entworfen. Darin gab es verschiedene Varianten für den Schluss“, so Agathos. Skizzenhafte Kapitelfragmente und Figurentypologien wurden mit Unterstützung des Robert-Musil-Instituts in Klagenfurt in Kleinarbeit in das Hörspiel-Puzzle eingepasst. Nicht alle Ideen Musils für den Abschluss des Romans wurden dabei berücksichtigt - aber die wichtigsten. So habe Musil in Erwägung gezogen, die Charaktereigenschaften aller Figuren in ihr Gegenteil zu kehren. Die unkonventionelle Herangehensweise Agathos’ und Kapfers, so zeigt das Ergebnis, ist der Reflexionsweise des Autors angemessen. Mit dem Remix wurde die modernste Form des Hörspiels für einen Roman gewählt, der seinerzeit die Moderne überwandt.

In Bayern2Radio ist die Ursendung des Remix mit dem Untertitel „Hör- und Gedankenspiele zu einem Roman" vom 27. Dezember 2004 bis zum 5. Januar 2005 zu hören. Täglich werden jeweils um 11 Uhr und um 16 Uhr zwei einstündige Teile gesendet. Begleitende Sendungen zu Musil und seinem Werk sind seit dem 15. November ebenfalls auf Bayern2 zu hören. Seit heute ist die Gesamtproduktion mit 20 CDs und einem Textbuch von 700 Seiten in einer Gemeinschaftsedition des Hörverlags und Belleville Verlags zum Preis von 149 Euro im Handel erhältlich.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false