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Medien: Mut zum Restrisikooderauf Nummer sicher?

Vor der Wahlentscheidung lag der Redaktionsschluss der Zeitungen

Knapp daneben ist auch vorbei. Das gilt nicht nur für die CDU, die es doch nicht schaffte, die Mehrheit im Bundestag zu bekommen. Es gilt auch für Zeitungen, die wegen ihres frühen Andrucks über die Wahlentscheidung schreiben wollten, ohne das Ergebnis zu kennen. Das Kopf-an-Kopf-Rennen dauerte und dauerte. Wen sollten sie zum Sieger erklären, wen zum Gewinner?

Früh am Wahlabend war nur sicher, dass die Grünen ihr Ziel „8 plus x“ erreicht hatten und die FDP weit hinter ihren Erwartungen zurückgeblieben war. In der zweiten Reihe standen Sieger und Gewinner also fest. Aber wer wird Deutschland in den nächsten vier Jahren regieren? Das wusste man mit absoluter Sicherheit erst in der Nacht. So lange konnten die Zeitungen nicht warten. Was tun? Bei allem Ehrgeiz, aktuell zu sein, galt es, sich nicht zu weit aus dem Fenster hängen. Es gibt nichts Fataleres, als mit einer Schlagzeile aufzumachen, die sich am Morgen danach, wenn der Leser die Zeitung holt, als falsch herausstellt. So gut es ging aktualisierten die Redaktionen im Laufe des Sonntags. So wurden vom frühen Abend bis nach Mitternacht unterschiedliche Ausgaben gedruckt. Auch vom Tagesspiegel, der in der Frühausgabe titelte: „Doppelt Kopf an Kopf / Rot-Grün liegt knapp vorn“ und in der nach Mitternacht abgeschlossenen Ausgabe: „Wahlkrimi bis zum Schluss / Rot-Grün ganz knapp vorn“.

Die „Süddeutsche Zeitung“ titelte zunächst „Rot-Grün verteidigt Mehrheit“ und wäre damit richtig gefahren, hätte sie nicht in der späteren Aktualisierung die Schlagzeile in „Union wird stärkste Fraktion“ geändert. So schien das lange Zeit richtig zu sein. Tatsächlich bewirkten die Überhangmandate, dass die SPD stärkste Fraktion blieb. Insofern blieb auch falsch, was die „SZ“ in der Nacht druckte: Unter der Zeile „Rot-Grün rettet knappe Mehrheit“ stand da: „Union stärkste Fraktion / FDP weit von ihrem Wahlziel entfernt / PDS scheitert an Fünf-Prozent- Hürde“. Auch die „FAZ“ behauptete vorschnell „Union stärkste Partei“ und war sich dabei einig mit der „Welt“ („Dramatische Wahlnacht in Berlin: Union vor SPD – Starke Grüne retten den Kanzler“). Ähnlich erging es „Bild“. Um 20 Uhr gingen die ersten Ausgaben in Druck, um 1 Uhr die letzten. Die Schlagzeile „Zitterpartie“ galt bis morgens. Nicht so die Unterzeile „Schröder vor Stoiber“. Erst nach Mitternacht wurde das in „Schröder gleichauf mit Stoiber“ geändert. Die Frage „Rettet Joschka Fischer Rot-Grün?“ blieb für „Bild“ auch um diese Zeit unbeantwortet. Auf Nummer sicher ging die „taz“, für die nach der Hochrechnung um 18 Uhr 43 Schluss war. Sie titelte „Strauß war besser“. usi

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