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Medien: „Mut zur Andersartigkeit“

Liz Mohns Eloge auf Merkel – Bissinger fühlt sich provoziert

Was ist nur bei Bertelsmann los? Das einst so erfolgreiche, kreative und dabei überraschend liberale Verlagshaus stolpert von Krise zu Krise.

Gut, das Buch „Die Mohns“ mit der ersten, der Wahrheit etwas näher kommenden Schilderung der obsessiven Familiensaga konnte gerade noch abgeledert werden. Und auch die vorhergehende Trennung von dem überaus erfolgreichen Manager Gerd Schulte-Hillen hatte am Ende nur wenige überrascht; stellte Bertelsmann-Eigner Reinhard Mohn bislang noch jeden seiner Topmanager ins Abseits. Die Liste der Namen ist lang. Von Köhnlechner über Fischer, von Wössner bis zu Middelhoff. Alle mehrten das Vermögen des Patriarchen und seiner Stiftung, aber alle weigerten sich am Ende, den eigenen Stil und Kopf an der Garderobe abzugeben.

Das musste zu Konflikten führen. Letztlich war es also nur folgerichtig, wenn Mohn entgegen seinen früheren Beteuerungen dann doch die Familie mit aller Macht ausstattete und seine Frau als Prinzipalin in die Nachfolge stellte. Dass darüber jetzt auch die letzte verlässliche Maxime des Hauses, die die strikte Nichteinmischung der Führung in die aktive Politik vorsah, auf der Strecke zu bleiben droht, könnte bittere Folgen haben. War doch gerade diese Zurückhaltung bislang die Basis aller Erfolge.

Hatte Gerd Schulte-Hillen also doch Recht, als er vor zu viel Einfluss für die Mohn-Gattin warnte? Wer die diesen Donnerstag erscheinende Ausgabe von „Cicero“ liest, ahnt, was er befürchtete. Dort nämlich findet sich über mehrere Spalten ein ziemlich einmaliges Dokument publizistischer Verirrung: eine Liebeserklärung Liz Mohns an die CDU- Vorsitzende Angela Merkel, mit der sie die vom Konzern geübte politische Pluralität aufgibt und eine eindeutige Wahlempfehlung abgibt. Und alles in feinster ostwestfälischer Platt-Prosa.

In ihrer Hymne verzichtet die Bertelsmann-Chefin auf keine noch so peinliche Schmeichelei: „hohe Sensibilität“, „besonderes Einfühlungsvermögen“, „klarer Blick“, „sensibel“, „Fürsorge und Zuneigung“, „Zähigkeit“, „kreatives Handeln“, „Mut zur Andersartigkeit“. Das Epos liest sich ölig wie eine Ergebenheitsadresse. Angela Merkel ist positiv und vorteilhaft. Nicht mal über ihren absurden Irak-Kurs, den laut jüngster „Spiegel“-Umfrage über 70 Prozent der Bürger verurteilen, finden sich wägende Worte.

Die Redakteure der Bertelsmann-Erfolgsblätter („Stern“, „Brigitte“, „GEO“, „Financial Times Deutschland“) werden die Augen verdrehen, wenn sie Sätze lesen wie diesen: „Es sind Eigenschaften wie Ehrlichkeit, Urteilsfähigkeit und Gerechtigkeit, die Angela Merkel leiten. In Verbindung mit ihrer Kompetenz in Fachfragen, ihrer klaren Denkweise und strukturierten Herangehensweise an Probleme bilden sie eine Leitfigur und ein Vorbild in unserer Gesellschaft, das anderen Menschen Mut macht und sie führt.“

Sollen sich in Zukunft also auch die Mitarbeiter der Bertelsmann-Redaktionen davon geleitet und geführt fühlen? Der CDU-Chefin jedenfalls hat die Bertelsmann-Verlegerin keinen Gefallen getan. Was sollen „Stern“-Leserinnen und -Leser beispielsweise künftig hinter den Merkel-Elogen des Chefkommentators vermuten? Bewerbungsschreiben an die Konzernspitze oder ehrliche Analyse? Und kann nach dieser Lobpreisung die „Brigitte“ noch jemals ein positives „Angie“-Porträt drucken? Dabei steht außer Frage, Angela Merkel gebietet über besondere Begabungen, die sie für allerhöchste Ämter empfehlen. Und sie könnte auch die Geschichte des Landes entscheidend mitbestimmen. Liz Mohn aber ist das nicht genug. Sie beendet ihren Besinnungsaufsatz mit der Forderung, das „…muss unsere Zukunft sein“.

Spätestens hier sollten wir einen Moment innehalten und uns vorstellen, Friede Springer, die Witwe des großen deutschen Gründungsverlegers („Bild“) hätte so einen Text publiziert. Ein Aufschrei erschütterte die Medienlandschaft. Die Pressefreiheit gelte als angeschlagen. Verlegerischer Machtmissbrauch würde diskutiert, und es würde ultimativ nach neutralisierenden Gesetzen gerufen.

Was ist nur bei Bertelsmann los?

Manfred Bissinger, 63, ist Geschäftsführer beim Hoffmann und Campe Verlag. Er war von 1960 bis 1970 in verschiedenen Funktionen beim „Stern“, zuletzt als Stellvertreter von Henri Nannen. Anschließend war er Chef von „Merian“ und der „Woche“. Bissinger wird zum engen Beraterkreis von Gerhard Schröder gezählt.

Manfred Bissinger

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