zum Hauptinhalt
Wir müssen draußen bleiben. Wenige FDP-Anhänger verfolgten auf ihrer Wahlparty die „Berliner Runde“ auf dem Monitor. Es saß ja auch kein FDP-Poltiker in der TV-Runde. Foto: dpa

© dpa

Nach der Wahl ist vor der Nichteinladung: Bitte nicht stören

ARD und ZDF rechtfertigen Fehlen von FDP und AfD in der „Berliner Runde“. Sender nennen Fünf-Prozent-Hürde als Kriterium.

Man stelle sich vor, der Hamburger SV steigt am Ende dieser Saison aus der Fußball-Bundesliga ab. Das „Aktuelle Sportstudio“ des ZDF lädt sich dann die wichtigsten Beteiligten der abgelaufenen Spielzeit in die Sendung. Alle kommen: Meister, Vizemeister, Überraschungsteams, nur das älteste Mitglied der Bundesliga, der Traditionsverein, kann nicht zu seinem dramatischen Fall befragt werden. Begründung: Das HSV spielt ja ab sofort nicht mehr in der Ersten Liga mit.

Die FDP ist der HSV der „Berliner Runde“ vom Sonntagabend. Bereits zu Beginn der Sendung wurde erklärt, dass die FDP nicht teilnehme, weil sie in den Hochrechnungen beider Sender unterhalb der Fünfprozenthürde liege. Als ZDF-Chefredakteur Peter Frey und ARD-Kollege Thomas Baumann um 20 Uhr 15 wissen wollten, wie denn jetzt so die Stimmung in der Berliner Republik ist, saß die Partei nicht mit am Tisch, die diese Stimmung über 60 Jahre mit geprägt hatte: die Freie Demokratische Partei. Mehr Drama geht nicht.

Das werden sich auch die knapp neun Millionen Zuschauer gedacht haben, die die „Berliner Runde“ am Sonntagabend zum TV-Hit machten. 5,81 Millionen Zuschauer (Marktanteil: 16,9 Prozent) verfolgten die Diskussion in der ARD, drei Millionen (8,7 Prozent) im ZDF. Mit insgesamt 8,95 Millionen Zuschauern erreichte die Diskussion nach der Bundestagswahl damit so viele Zuschauer wie normalerweise ein ARD-„Tatort“-Krimi.

Dennoch, für ARD/ZDF – und die Zuschauer – wäre mit der FDP in der „Berliner Runde“ mehr drin gewesen, zudem die Partei ja erst drei Tage vorher mit am gemeinsamem Studiotisch von ARD und ZDF vertreten war. Unstrittig ist, dass Vertreter von FDP und AfD mit Blick auf das Wahlergebnis vermutlich die spannendsten Gesprächsteilnehmer in einer ansonsten über weite Strecken inhaltsleeren „Berliner Runde“ gewesen wären.

ARD-Chefredakteur Thomas Baumann und sein ZDF-Kollege Peter Frey rechtfertigten am Montag das Auswahlverfahren. Baumann sagte dem Tagesspiegel: „Für die ‚Berliner Runde‘ am Wahlabend gilt: Eingeladen werden die Parteien, die im neuen Bundestag voraussichtlich Verantwortung in der Regierung und der Opposition übernehmen werden. Um über die Zusammensetzung der Runde zu entscheiden, ist ein klares und nachvollziehbares Kriterium notwendig, und das kann nur die Fünfprozentmarke sein.“ Diese Regel sei zwischen ARD und ZDF verabredet worden, um einen Standard zu setzen, der nicht von Wahl zu Wahl geändert werden müsse. „Bei allen anderen Grenzziehungen würde uns zu Recht Willkür vorgehalten. Selbstverständlich sind in den anderen Wahlsendungen, sowohl im Ersten als auch im ZDF, Vertreter der FDP und der AfD zur besten Sendezeit ausführlich zu Wort gekommen.“

ZDF-Chefredakteur Frey äußerte sich zunächst zur Sendung am vergangenen Donnerstag: „Die ,Berliner Runde’ vor der Wahl ist eine Vorwahlsendung. Sie bilanziert die Arbeit der im Bundestag befindlichen Parteien und ihrer Wahlkampfaussagen. Um einer Zersplitterung entgegenzuwirken, werden nur die im Bundestag befindlichen Parteien eingeladen.“ Bei der „Berliner Runde“ am Wahlabend des Sonntags dagegen würden die Parteien geladen, die in einem neuen Bundestag voraussichtlich Verantwortung in Regierung und Opposition übernehmen werden“, sagte er. Die Fünfprozentmarke sei dabei die nachvollziehbare Grenze, analog zum Einzug in den Bundestag. Die Regel sei eine Art „ungeschriebenes Gesetz“ zwischen ARD und ZDF und gelte seit langer Zeit. „Beide Sender versuchen damit, Standards zu setzen, die nicht von Wahl zu Wahl wieder geändert werden müssen.“

Nachvollziehbare Gründe? Das gefundene Kriterium enthebt ARD und ZDF jeder Überlegung, ob und wie das Auf und Ab in der Wählerbewegung samt Ausgang reflektiert werden muss. Wenn für den Einzug in den Bundestag eine Fünf-Prozent-Hürde gilt, dann muss diese Schwelle auch für eine journalistische Sendung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gelten. Oder?

Zur Startseite