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Falsch verdrahtet. Ein Kleinverlag irritiert den Medienbetrieb.

© dpa

Nach Mailinglisten-Debakel: Kleinverlag "Sonderzahl" im Glück

Vor sechs Tagen trieb eine defekte Mailingliste tausende Journalisten in den Wahnsinn. Viele gaben einem österreichischen Buchverlag die Schuld. Wie geht es dem Betroffenen heute?

Ob der Mann wohl schon ausgewandert ist? Die defekte Mailingliste seines Verlags "Sonderzahl" hat am Wochenende 2000 Medienmenschen verärgert - oder besser gesagt: die Panne, verbunden mit der Unfähigkeit der Journalisten, einfach nicht zu antworten. Dem Wiener Verleger Dieter Bandhauer tat der Vorfall furchtbar leid. Besser mal anrufen und nachfragen, wie es ihm seither ergangen ist.

Wichtigste Nachricht: Bandhauer geht es gut. Durch die Berichterstattung - im Internet gab es den Hashtag #Sonderzahlgate - habe sich die Stimmung zum Glück komplett gedreht: "Wir bekommen nur noch wohlwollende, aufmunternde Reaktionen, und zwar viele." Selbst diejenigen, die zuerst geschimpft hätten, seien wieder milde gestimmt. Und das Beste: Durch den Vorfall hätten viele Journalisten, die gar nicht auf der Mailingliste standen, zum ersten Mal in ihrem Berufsleben von dem kleinen Verlag erfahren und jetzt ihrerseits Kontakt aufgenommen. Um das Frühjahrsprogramm zu bestellen! Die meisten übrigens digital!

Vereinzelt wird gemunkelt, die Aktion sei geplant gewesen, als genialer Schachzug, um einen unbekannten Verlag über Nacht bundesweit ins Gespräch zu bringen. War das ein Coup?

"Auf keinen Fall", sagt Dieter Bandhauer. Und wer am Samstag - auf dem Höhepunkt des Dramas - mit ihm gesprochen und ihn verzweifelt am Telefon erlebt hat, weiß sehr gut, dass Bandhauer die Wahrheit sagt. "Wie auf Drogen" habe er sich da gefühlt, und das war nicht positiv gemeint. Über die Journalisten, die am Wochenende teils kopflos drauflos gemailt haben, vereinzelt sogar absichtlich Spam verschickten, mag er kein schlechtes Wort verlieren: "Ich denke, ich bin momentan nicht in der Position, jemanden zu kritisieren."

Ernst wird es im Juni. Da will Bandhauer seine nächste Rundmail verschicken. Und fragen, wer das dann anstehende Herbstprogramm digital oder gedruckt beziehen möchte. Diesmal, sagt er, werde jedoch alles glatt gehen. Auf der kommenden Frankfurter Buchmesse will der Verleger übrigens allen Geschädigten ein Glas Grünen Veltliner, einen niederösterreichischen Weißwein, spendieren.

Auch Medienpsychologe Jo Groebel glaubt nicht, dass die Aktion geplant war. Vor allem warnt er vor Nachahmung: Wer jetzt darauf hoffe, mit einem ähnlichen Chaos ähnlich glimpflich davon zu kommen, werde sicher auf die Nase fallen. "Diese Pointe hat nur einmal funktioniert." Das nächste Mal gebe es garantiert einen Shitstorm.

Bleibt die Frage, woher eigentlich die ganzen Adressen stammen. Denn viele der Angeschriebenen kannten den Verlag bis dahin überhaupt nicht. Laut Sonderzahl finden sich die Adressen auf einer Liste, die von der Firma "re-book marketing kommunikation" zur Verfügung gestellt wurde. Die hat ihren Sitz in Bonn.

Dort behauptet man, dass die Firma lediglich Adressbestände ihres Auftraggebers, eines Zusammenschlusses österreichischer Verlage, aktualisiert habe. Ein Mitarbeiter von "re-book marketing kommunikation" erklärt sich zunächst zu einem Telefongespräch bereit, in dem er die Arbeitsweise der Firma beschreibt. Am Ende des Interviews bittet er darum, seine Zitate autorisieren zu dürfen. Von diesen Zitaten wird er später kein einziges freigeben.

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