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Keine Computer- oder Games-Messe ohne VR-Brillen.

© dpa

Nach Pokémon Go: Virtual Reality - der andere Hype

Alle reden von Pokémon Go und der erweiterten Realität, doch langfristig macht Virtual Reality das Geschäft. Den Durchbruch könnte die Sony-Brille zur Playstation 4 bringen.

Gerade jetzt ist das kaum vorstellbar, aber 2012 fand die Gamescom, Europas wichtige Messe für Computer- und Videospiele, ohne Nintendo statt – obwohl die Japaner in jenem Jahr eine neue Konsole im Programm hatten. Im Jahr 2016 ist Nintendo wegen seines Erfolgs mit dem Smartphone-Game Pokémon Go quasi an jedem Gamescom-Messestand in Köln (18. bis 21. August) vertreten, denn dieses Spiel ist das alles beherrschende Nerd-Thema dieses Sommers. Jeder Aussteller stellt sich derzeit vor allem eine Frage: Wie kann ich mit einem meiner Produkte einen ebensolchen Hype generieren wie Nintendo mit Pokémon Go und der erweiterten Realität.

Darauf eine Antwort zu finden, ist eine immense Herausforderung, zumal selbst die erfolgreichsten Video- und Computerspiele kaum an die mediale Beachtung herankommen, die Pikachu, Taubsi oder Knuddeluff zuteil wird. Langfristig hat jedoch eine Spielgattung das Zeug dazu, noch erfolgreicher zu werden als die freilaufenden Pokémon Go: die VR-Spiele. Noch sind Virtual-Reality-Games, für die man eine der überdimensionierten Spezialbrillen benötigt, ein Nischenphänomen. Mit dem Start von Playstation VR im Oktober könnte sich das aber endgültig ändern. Die Brille soll deutlich weniger kosten als ihre Konkurrenten. Durch das Zusammenspiel mit der Playstation-4-Konsole muss sich der Besitzer zudem keine Gedanken über technische Details wie Systemvoraussetzungen oder die Konfiguration von Grafikkarten machen. Bis zum Jahresende will Sony 50 VR-Spiele herausbringen, darunter ein Adlerflugspiel über den Dächern von Paris und ein Dinosaurier-Abenteuer vom deutschen Spielestudio Crytek. Auch „Trekkies“ werden auf ihre Kosten kommen: Im Herbst soll „Star Trek Bridge Crew“ für Vive, Oculus Rift und Playstation VR erscheinen.

Ungetüme im Taucherbrillenformat

Sicher ist: Auf der Gamescom in Köln und der Funkausstellung in Berlin werden wieder unzählige Menschen mit taucherbrillenähnlichen Ungetümen blicklos in die Ferne schauen. Außerhalb der Messehallen sieht die Situation freilich ganz anders aus: Bislang hat nicht einmal jeder zehnte Deutsche (genau sind es neun Prozent) eigene Erfahrung im Umgang mit VR-Brillen gesammelt, wie der IT-Branchenverband Bitkom mit einer repräsentativen Befragung ermittelt hat. Gut ein Drittel der Deutschen kann sich jedoch vorstellen, den Sprung in die virtuelle Realität zu wagen. Vor einem Jahr galt dies nur für jeden fünften Befragten. „In diesem Jahr sind neue Geräte auf den Markt gekommen, mit denen Verbraucher virtuelle Realitäten erleben können“, sagt Timm Lutter, Bitkom-Experte für Consumer Electronics und Digital Media. Auch allgemein wird Virtual Reality immer bekannter: Weit mehr als die Hälfte (59 Prozent) der Befragten hat schon von Virtual-Reality-Brillen gehört oder gelesen. 2015 waren es erst 42 Prozent. Potenzielle Nutzer interessieren sich hauptsächlich dafür, Computer- und Videospiele in der virtuellen Realität zu erleben. Die Befragten konnten sich zudem vorstellen, mit VR-Brillen fremde Orte zu bereisen, Musikkonzerte zu erleben oder Filme und Sportereignisse zu schauen. „Die inhaltlichen Möglichkeiten für den Einsatz der Technologie sind unbegrenzt“, sagt Lutter. „Im Bereich der Unterhaltung, in der Medienbranche oder in der Touristik wird Virtual Reality neue Erlebniswelten schaffen.“ So erweitern inzwischen zahlreiche Freizeitparks Achterbahnfahrten um virtuelle Elemente. Aber auch im Bildungs- und Arbeitsumfeld – zum Beispiel in der Medizin – stoßen Virtual-Reality-Brillen auf Interesse: Jeder Fünfte wünscht sich die Visualisierung von Wohnungs- und Häuserplanung. 15 Prozent haben Interesse an Bildungs- und Lernprojekten in virtueller Umgebung.

Die Playstation VR, die für den Herbst erwartet wird, könnte den Durchbruch für die VR-Games bringen.
Die Playstation VR, die für den Herbst erwartet wird, könnte den Durchbruch für die VR-Games bringen.

© AFP

Ausgelöst hatte das VR-Fieber die Crowdfunding-Kampagne für die Brille Oculus Rift. Seit diesem Frühjahr ist sie ebenso erhältlich wie das Konkurrenzprodukt HTC Vive. Beide Modelle zielen auf zahlungskräftige Käufer: Sie kosten 700 beziehungsweise 900 Euro und benötigen zusätzlich einen leistungsfähigen PC. Die Playstation VR wird 400 Euro kosten und benötigt die Heimkonsole PS4, die ab 300 Euro erhältlich ist.

Die derzeit günstigste Option für VR sind Smartphones: Sie werden in passende Brillengehäuse wie Samsung Gear VR, Zeiss VR One oder Google Cardboard gesteckt. Ein Vorteil ist ihre Mobilität, allerdings reicht die Bildauflösung nicht an Vive und Oculus heran, was wiederum das Eintauchen in die virtuelle Welt – die Immersion – schmälert. Für die Branche sind die Smartphone-Brillen dennoch sehr wichtig: Mit hohen Stückzahlen sorgen sie dafür, dass immer mehr Menschen mit VR in Berührung kommen und Lust auf mehr entwickeln.

VR und Spiele - eine spannende Kombination

VR und Computerspiele sind eine besonders spannende Kombination. Denn Game-Designer lernen gerade erst, die neuen Möglichkeiten für mehr Spielspaß zu nutzen. Dabei wird immer deutlicher, dass VR-Games von Grund auf anders konstruiert werden müssen als herkömmliche Spiele – vor allem, um die sogenannte Simulatorkrankheit zu vermeiden, die VR-Nutzer häufig befällt, wenn Bewegung und Bilder nicht völlig synchron sind.

Die besten VR-Games wandeln diese Einschränkungen in Stärken um. Im Gratis-Spiel „Smash Hit für Samsung Gear“ VR kann man sich nicht frei bewegen, sondern fährt schnurgerade durch Hallen und Räume. Per Kopfbewegung zielt man auf Hindernisse und zerschießt sie mit Kugeln, die aus Kristallen am Wegesrand gewonnen werden; ist die Munition aufgebraucht, ist das Spiel zu Ende. Übelkeit tritt bei Smash Hit vergleichsweise selten auf, weil man sich kontinuierlich auf einer Achse bewegt. Auch das Mystery-Adventure „Edge of Nowhere“ für Oculus Rift verzichtet auf hektische Kamerabewegungen. Auf der Suche nach einer verschollenen Arktis-Expedition bewegt sich der Spieler langsam durch Eishöhlen, die dank VR unglaublich plastisch wirken. Überhaupt fördert VR die Lust am Erkunden.

Der Pokémon-Erfinder Nintendo ist noch nicht auf den VR-Zug aufgesprungen. Eine neue Konsole namens NX haben die Japaner allerdings bereits angekündigt – und erklärt, man werde sich auch mit VR beschäftigen. Möglicherweise kann man also Pikachu und Co. bald auch in der virtuellen Realität jagen. Mal sehen, was die Gamescom bringt.

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