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© ZDF

Nachrichten: Völlig losgelöst

Moderieren aus der „grünen Hölle“: Das 30 Millionen Euro teure neue ZDF-Nachrichtenstudio hat am Freitag Premiere.

Wall Street, Flugzeugabstürze, Schweinegrippe, vielleicht ist dem Weltgeschehen zu wünschen, dass es am Freitag für ein paar Stunden die Luft anhält – umso mehr kann man sich auch auf die Sendungen konzentrieren, die das alles präsentieren, vor allem auf das neue 30 Millionen Euro teure ZDF-Nachrichtenstudio. Die „grüne Hölle“, wie sie genannt wird, ist zuletzt ja nicht nur den Mainzern schon eine oder mehrere längere Nachrichtenstücke wert gewesen. Nun ist es so weit. Nach vierjähriger Planung nimmt das ZDF am Freitag um 19 Uhr mit Moderator Steffen Seibert sein Image-Produkt in Betrieb, das das Erscheinungsbild von „heute“ und „heute-journal“ ins Computer-Zeitalter katapultieren soll: Seibert, Kleber und Co. vor einem grünen Hintergrund, den ein Computer für die Zuschauer herausfiltert, Moderationen von verschiedenen Standorten in einem „virtuellen Raum“, hochaufwendige Grafiken zu komplexen Themen.

Im Internet kursieren Demo-Versionen aus den Proben der vergangenen Wochen, zum Beispiel die neuen „Opener“ der ZDF-Nachrichtenflaggschiffe. Da fliegt die Kamera zum Auftakt der „heute“-Sendung erst mal weg und dann wieder zu auf die hinter einem unendlich langen Tisch vor einer Weltkarte stehende Nachrichtensprecherin Barbara Hahlweg: „Guten Abend, meine Damen und Herren, das sind die Themen heute.“ Bei Gundula Gause und Steffen Seibert zum Start des „heute-journal“ geht es in diesen Proben-Videos ruhiger zu. Da kommt die Kamera den etwas verloren wirkenden Moderatoren nur langsam näher. Die warmen Farben bleiben die gleichen, vor allem Grünblau im Hintergrund, aber auch Brauntöne, angelehnt an das bisherige „heute-journal“-Studio.

Spielereien um ihrer selbst willen sollen tabu sein, sagt Claus Kleber. „Wir werden aus dem ,heute-journal‘ kein ,Abenteuer Wissen‘ machen. Ich glaube nicht, dass wir 2009 die Leute noch mit virtuellen Trickkisten begeistern können.“ Der Moderator freut sich auch auf die Weitläufigkeit des fast 700 Quadratmeter großen Studios, in dem es an eben jenem lang gezogenen, geschwungenen Tisch („Moderationsinsel“) aus Nussbaumholz eine „Erklärecke“ und einen Platz für Gespräche mit Experten gibt: „Ich bin nicht mehr so ,festgetackert‘ hinter dem Tisch.“

Geringfügig wandernde Bilder hinter den Moderatoren und Fahrten der vollautomatischen Studiokameras sollen den Eindruck fließender Bewegung vermitteln, Farben und Linienführung räumliche Tiefe verschaffen.

Am spektakulärsten dürften die Grafiken und Animationen sein. In einer Testsendung schwebte da zum bevorstehenden Jahrestag der ersten Mondlandung die historische US-Raumfähre „Eagle“ ins Studio – bewusst so verfremdet, dass der Zuschauer auf Anhieb erkennt, dass es sich um eine Computersimulation handelt. Ganz unbekannt ist das alles nicht. Das ZDF hat sich für einen Weg entschieden, den RTL und Chefredakteur Peter Kloeppel schon eingeschlagen haben, andere Sender wie die ARD aber ablehnen. Mit den 3-D-Animationen ließen sich etwa nach dem Airbus-Absturz im Atlantik die Belastungen eines Flugzeugs in schweren Turbulenzen verdeutlichen. Jeden Tag gebe es diese Grafiken aber nicht zu sehen – nicht zuletzt deshalb, weil die Computer viel Zeit für deren Herstellung benötigten, sagt Kloeppel. Das ist auch für „Tagesschau“ und „Tagesthemen“ ein Grund, beim Komplettumbau des ARD-Nachrichtenstudios in Hamburg nicht auf die „Virtualität“ zu setzen. Bei der Vielzahl der dort täglich produzierten Nachrichtensendungen „haben wir nicht die Zeit, um uns vom Computer solche Animationen rechnen zu lassen“, sagt der Chefredakteur von ARD-aktuell, Kai Gniffke. Vielleicht muss am Freitag aber gar nicht so viel gerechnet werden, vielleicht passiert einfach zu wenig. Markus Ehrenberg

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