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Medien: Nachrichtensender: "Wir geben viel, wir erwarten viel"

Wie gehen Radio-Sender, die sich als Nachrichtensender definieren, eigentlich mit ihren Themen um? Gibt es inhaltliche, sprachliche Kriterien und Regelungen, nach denen die Nachrichten gewählt, gewichtet, kommentiert werden?

Wie gehen Radio-Sender, die sich als Nachrichtensender definieren, eigentlich mit ihren Themen um? Gibt es inhaltliche, sprachliche Kriterien und Regelungen, nach denen die Nachrichten gewählt, gewichtet, kommentiert werden? So wie zum Beispiel beim Berliner Info-Radio von ORB und SFB. Dort gibt es die so genannte "Nachrichtenfibel" - ein laut Nachrichtenchefin Marion Brandau "ziemlich dickes Regelbuch", in der Grundsätze zu Sprache und Stilistik nachzulesen sind. "Objektiv, ausgewogen, unparteiisch" sollen die Nachrichten sein - Selbstverständlichkeiten also. Ansonsten gebe es laut Marion Brandau keine Vorschriften: die Redakteure entscheiden "nach journalistischen Grundsätzen".

Eine "Nachrichtenfibel", die stilistisch das "Einmaleins" des Nachrichtenmachens beschreibt, das gehört auch zum Arbeitsmaterial der Redakteure von FAZ Business-Radio Berlin. Politische, parteipolitische Festlegungen gebe es nicht, sagt Chefredakteur Michael Häutemann. Schließlich baue sich das Image eines reinen Wortradios über die Beiträge auf. Würde man zu sehr zu einer Seite tendieren, würde letztlich das Image des Senders beschädigt.

Regelbücher, inhaltliche Vorgaben oder ähnliches gibt es beim Deutschlandradio nicht. Laut Thomas Wiecha, Leiter der Abteilung Nachrichten/Aktuelles, existiere lediglich eine Sendeplatzbeschreibung. Darin ist etwa geregelt, wann die Zeit angesagt, wann und wie über die Börse und das Wetter berichtet wird, wann welcher Jingle kommt und wie lange ein O-Ton zu sein hat. Eine wie auch immer geartete "schwarze Liste" oder Indexliste gibt es nicht, problematische Formulierungen werden in der Redaktionskonferenz besprochen, man verlässt sich auf "die journalistische Sprachbegabung und das journalistische Selbstverständnis".

Ganz anders schaut das bei Hundert,6 aus. Dort kursiert eine "Arbeitsplatzbeschreibung", die auch die Verwendung von bestimmten Begriffen regelt. Etwa, dass den Begriffen "Autonome/Antifa" das Wort "Linksextremisten" vorzuziehen sei. Anstelle von "Palästinenser-Präsident Arafat" sei "Palästinenser-Führer Arafat" zu sagen, und Joschka Fischer habe grundsätzlich Joseph Fischer zu heißen. Auf diesen Namen sei der Grünen-Politiker schließlich auch getauft, sagt dazu Georg Gafron, Chef der Springer-Boulevardzeitung "B.Z.", Chef des Kirch-Ballungsraumsenders TV.Berlin und eben auch Chef von Hundert,6, des Berliner Radiosenders aus der Kirch-Gruppe. Gafron stellt dazu fest, dass dieses Arbeitspapier vom Chef der Nachrichten verfasst worden sei. Die darin stehenden Regelungen könne er nur unterstreichen. Das gelte auch für die Richtlinien zur Auswahl der Nachrichten. Dort heißt es unter Punkt 1: "Grundsätzlich gilt: Die Meldungen werden nach dem Gewicht der jeweiligen politischen Partei und des politischen Inhalts bemessen. Wo unser Haus steht, ist hinlänglich bekannt. Etwaige Unklarheiten beseitigt gerne die Chefredaktion!"

Und Punkt 2 regelt, dass zu beachten sei, "wer etwas fordert". Als Beispiele werden aufgeführt: "PDS verlangt einen Untersuchungs-Ausschuss zur Privatisierung des BBI in Schönefeld", "Grüne fordern nach Mai-Krawallen, gegen die vermeintlich rauhe Gangart der Polizei gerichtlich vorzugehen". Das Papier regelt: "Auch eine Forderung nach einem Rücktritt des Polizeipräsidenten/Innensenators aus dieser politischen Ecke muss bei uns nicht stattfinden." Es gibt noch weitere Punkte, die auf journalistisch Handwerkliches hinweisen.

Gafron sieht keinen Grund, sich davon zu distanzieren. So sei bekannt, dass Hundert,6 ein "Privatunternehmen mit liberal-konservativer Ausrichtung" sei. Im Übrigen sei das Infotainment Schuld, dass der Umgang mit Information "oftmals schlampig" sei. Dafür verantwortlich sei "die mangelnde Qualifikation des journalistischen Nachwuchses, insbesondere die Einschätzung von politischen Zusammenhängen ist mangelhaft". Der journalistische Nachwuchs sei "das Produkt der 68er und deren Einflüsse in den Schulen, in denen wenig Wert gelegt wird auf Sorgfalt, Wissen und geistige Disziplin", sagt Gafron. Um dem entgegenzuwirken, bezahle Hundert,6 den Redakteuren Wochenend-Seminare, um ihnen etwa "das Grundgesetz, das Parteiensystem oder die Bedeutung des Konjunktivs" nahe zu bringen.

Die Frage des journalistischen Nachwuchs ist ein Thema, das Hundert,6 in besonderem Maß belastet, da das Programm vornehmlich von jungen Mitarbeitern bewältigt wird und die Fluktuation überdurchschnittlich ist. In den vergangenen anderthalb Jahren sei über ein Dutzend allein aus der Nachrichtenredaktion ausgeschieden, weiß einer der Ehemaligen zu berichten. Manche reden gar davon, die Landes- und Bundespolitik liege personell brach. "Stimmt nicht", widerspricht Gafron. Drei Redakteure in der Landespolitik, zwei in der Bundespolitik, das sei völlig ausreichend. Zudem könne er bei einigen der kürzlich Entlassenen nur sagen "Gott sei Dank". Seine Kritik richtet sich an die "Faulheit" von Mitarbeitern: "Wir geben viel, und wir erwarten viel". Nicht alle Mitarbeiter scheinen das ihrem Sender zu danken. Die Fluktuation ist groß. Liegt es etwa am angeblich autoritären Arbeitsklima oder an Chefredakteur Knut Peters? Gafron widerspricht. Gafron schätzt Peters, ein "Soldat", ein "Offizier der Bundeswehr", in hohem Maß. Und das Betriebsklima, das sei "super".

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