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Nachruf II: Feiner Eigensinn: Jens Brüning gestorben

Der Radiogemeinde, auch über Berlin hinaus, hat sich die Stimme von Jens Brüning seit langem eingeprägt. Ruhig und bedächtig war sie, durchzogen von einer feinsinnigen Ironie. Vergangene Woche ist er im Alter von 64 Jahren gestorben.

Der Journalist Jens Brüning machte deutlich, wenn ihm etwas über die Hutschnur ging. Doch bei allen Aufgeregtheiten der Zeit – Brüning kam Ende der 1960er Jahre aus Norddeutschland zum Studium der Publizistik, Soziologie und Amerikanistik nach Westberlin, gehörte somit zur Generation der 68er – nahm er sich die Zeit, Sachverhalte erst einmal zu schildern und zu erklären. Er beherrschte die kleine wie die große Form, schuf Reportagen, Features und Hörspiele, war auch auf dem Gebiet der Rezension und des Kommentars zu Hause. Obwohl er lebenslang Freiberufler blieb, fühlte er sich den jeweiligen Redaktionen verbunden. Und er engagierte sich gewerkschaftlich. Vor allem beim SFB 3, dem Vorläufer des Kulturradios vom RBB, gehörte er zum festen Mitarbeiterstamm und pflegte den kritischen Ton etwa des berühmten „Journal in 3“. Auch beim Deutschlandradio Kultur hatte er eine treue Hörergemeinde.

Als Autor für die „Süddeutsche Zeitung“ und den Tagesspiegel machte er auf hörenswerte Sendungen aufmerksam, ließ (auch Fernseh-)Sendungen kritisch Revue passieren und Rundfunkpolitik durchsichtig werden. Dem Assistenten und Freund von Harry Pross hatten es nicht nur Ereignisse angetan, sondern vor allem Menschen, zunehmend diejenigen, die von den Nazis ins Exil getrieben worden waren. Mit der Wiederentdeckung der Schriftstellerin Gabriele Tergit wuchs ihm eine Lebensaufgabe zu. Die Herausgabe ihrer Gerichtsreportagen, ihrer Romane wie „Käsebier erobert den Kurfürstendamm“ von 1931 sind ihm ebenso zu verdanken wie Neuauflagen weiterer publizistischer und novellistischer Werke, darunter „In Tyrannos“, eine Anthologie deutscher Freiheitsdokumente, die der „Club 1943“ deutscher Emigranten 1944 in London erstellt hatte. Jens Brünings Eigensinn beim Aufspüren des weniger Illustren als schlicht Wesentlichem war legendär. Gänzlich unerwartet starb er vergangene Woche mit 64 Jahren.

Christian Deutschmann

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