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Nachruf: Zum Tod der Fotografin Digne Meller-Marcovicz

Sie war das Auge unserer Zeit. Nun ist Digne Meller-Marcovicz in Berlin-Pankow mit 80 Jahren gestorben.

Sie prägte das Gesicht, das Nachkriegsdeutschland von der Welt hatte. Und das Selbstbild der Deutschen, ihrer Politiker und Künstler, ihrer Dichter und Denker. Digne Meller-Marcovicz selber ist dem Deutschland der Henker, weil damals noch ein Kind, entronnen. Aber ihre ältere Schwester Cato wurde 1943 als Mitglied des Widerstands von den Nazis in Plötzensee ermordet. Die gebürtige Berlinerin Digne Meller-Marcovicz, aus einer Künstlerfamilie stammend, wurde 1964 die Hausfotografin des „Spiegel“ und hat den Herausgeber Rudolf Augstein bei zahlreichen spektakulären Interviews begleitet. So entstanden 1968 die erst kürzlich wieder in allen Medien veröffentlichten berühmten Bilder beispielsweise von Augstein und Martin Heidegger, die mit dem zugehörigen „Spiegel“-Gespräch erst nach dem Tod des Philosophen 1976 publiziert werden durften. DMM, wie die Fotografin abgekürzt hieß, hat im legendären Jahr 1968 übrigens die beiden wohl bedeutendsten Geistesköpfe mit der Kamera besucht, neben Heidegger auch (kurz vor seinem Tod) Theodor W. Adorno. Der frühere Hitler-Schwärmer H. und der zurückgekehrte Emigrant A., sie saßen beide zu Hause an Tischen mit den fast identischen altdeutschen Häkeldeckchen darauf. Zwei Inbilder.

Ernst Bloch mit Rudi Dutschke im Gespräch, Beuys in Venedig, Fassbinder in Rage, Werner Schroeter am Filmset oder in einem ihrer späteren eigenen Bücher die alte Frau, die den Tod des Mädchens Anne Frank miterlebte: Immer war Digne Meller-Marcovicz das Auge ihrer Zeit und, ähnlich ihrer fünf Jahre jüngeren Kollegin Barbara Klemm, unser aller Gedächtnis. Das erwähnte Buch hieß „Massel – Die letzten Zeugen“. Auch von Jerusalem hat sie berichtet und einen schönen, nachdenklichen Film über die Stadt gemacht. Persönlich war sie eine großzügige, so spitzzüngige wie auch herzliche Frau. Nun ist sie in Berlin-Pankow mit 80 Jahren gestorben.

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