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Originelle Figuren, trockener Humor und Bilder aus Hamburg zeichnen den neuen „Nachtschicht“-Film aus. Mittendrin Jürgen Vogel als Komiker Jacky Herbst.

© ZDF und Georges Pauly

"Nachtschicht"-Film über Comedy-Szene: Gar nicht lustig

Lars Beckers gelungener „Nachtschicht“-Film ist eine Persiflage auf deutsche Comedy. Im ZDF-Film zündet der Humor nicht durch billige Gag-Pointen.

In der Nähe der Reeperbahn gibt es noch einen etwas anderen Amüsierbetrieb: das St. Pauli Theater, 1841 gegründet, eine traditionsreiche Spielstätte, die unter Denkmalschutz steht. Es versteht sich als „modernes Volkstheater“, das zwischen Eventgastronomie und erotischen Straßenangeboten intelligente Unterhaltung bieten will. Auch die Comedy-Szene ist hier seit einigen Jahren zu Hause. Autor und Regisseur Lars Becker leistet mit dem „Nachtschicht“-Film „Ladies First“ auf seine Art einen Beitrag zur Denkmalpflege: Mit einer gleichermaßen liebevollen wie galligen Persiflage auf deutsche Humorproduktion.

Die prächtige Theater-Kulisse wird gleich mehrfach genutzt. Becker inszeniert drei Bühnenauftritte vor vollem Haus: Jürgen Vogel schlägt sich wacker mit einem kurzen Comedy-Solo im Stile von Mario Barth. Armin Rohde hat einen fulminanten Auftritt als nervöser Polizist, der verzweifelt die Menge aufzufordern versucht, den Saal zu verlassen („Ihr könnt nach Hause gehen“). Und ganz am Ende darf auch Nora von Waldstätten ihre Bühnen-Präsenz unter Beweis stellen. Das an Typen und kuriosen Wendungen reiche Drehbuch ist allerdings die bessere Comedy. Beckers kluger Dreh besteht darin, dass die Witzereißer in seinem Film am wenigsten lustig sind und der Humor eben nicht durch Gag-Pointen zündet.

Ein Unfall ohne nennenswerten Schaden

Aber der Reihe nach: Die Comedy-Sause auf St. Pauli beginnt mit einem Verkehrsunfall. Ein Ferrari rammt das Auto von Krankenschwester Emma Graf (Nora von Waldstätten). Nennenswerte Verletzungen trägt niemand davon, vielmehr finden die Kommissare Erichsen (Armin Rohde) und Kruse (Christoph Letkowski) eine aufgekratzte Gesellschaft vor. Denn in den Unfall verwickelt ist Comedy-Star Jacky Herbst (Jürgen Vogel), der gerade lautstark mit seinem Manager Leo Strootmann (Henry Hübchen) telefoniert. Angeblich saß Jacky, der seinen Führerschein gerade los ist, auf dem Beifahrersitz des Ferrari. Der Fahrer will Gag-Schreiber Holm Brülls (Anatole Taubman) gewesen sein, auch wenn er 1,5 Promille im Blut hat. Dass ein Sniper von einer Brücke auf den Ferrari geschossen und aus der Spur gebracht haben soll, wie Jacky behauptet, kommt den Polizisten nicht besonders glaubhaft vor. Nicht weniger skurril ist das Verhalten von Unfall-Opfer Emma Graf. Die Krankenschwester ist nicht sonderlich böse, denn erstens hat ihr Jacky ein neues Auto versprochen, und zweitens ist Emma ein Comedy-Fan. Die Befragung endet also mit einem Selfie des Unfall-Trios.

Lars Beckers „Nachtschicht“-Filme sind seit 2003 eine Belebung des bisweilen piefigen Krimifernsehens. Sie sind schwer einzuordnen, ein Genre-Mix aus Tragikomödie, Thriller und Großstadt-Drama. Beckers Markenzeichen: Originelle Figuren, trockener Humor, knackige Dialoge und Bilder, die das Hamburger Nachtleben authentisch einzufangen scheinen. Dabei sind die Geschichten eher überdreht als dem üblichen Pseudo-Realismus in Krimis verpflichtet. Das gilt insbesondere für die Folge „Ladies First“. Mit der Logik im Detail hapert es da schon mal. Dafür gibt es reichlich Tempo und Witz. Dass der Plot dabei immer unübersichtlicher wird, lässt sich angesichts wunderbarer Nebenfiguren wie Touristen-Führer Skipper (Peter Heinrich Brix) und Türsteher Hakan (Hakan Orbeyi) leicht verschmerzen.

Comedy als humorfreie Zone

Die Comedy-Szene erweist sich nicht nur als humorfreie, sondern auch als egozentrische, lebensgefährliche Zone. Der Gag-Schreiber wird auf der Toilette erschossen, und Jacky von Gangster Marvin Weber (Alexander Scheer) bedroht. Es geht um Drogen, Schulden und ein vergangenes, weitgehend ungesühntes Verbrechen. Jackys aufstrebende Konkurrentin Carlotta war vergewaltigt worden und liegt nun im Koma – in dem Krankenhaus, in dem Emma arbeitet. Die wird von ihrem Ex (Sascha Alexander Gerÿak) gestalkt, außerdem mischt sich ein Krankenpfleger (Aurel Manthei) zunehmend in die Ermittlungsarbeit der Polizei ein. Und weil Erichsen und Kruse so ziemlich jeden Einsatz verpatzen, wird das Chaos von Minute zu Minute größer.

Neben Theater, Krankenhaus und Kiez ist das Kommissariat mit seiner einzigartigen Gemeinschaftszelle hinter Glas wieder ein wichtiger, lebendig inszenierter Schauplatz. Und dank Lisa Brenner (Barbara Auer), die um Gerechtigkeit für Carlotta kämpft, wird der Film schließlich eine Spur ernsthafter. Nicht alles ist schlüssig. Der finale Showdown dafür ist in seiner lakonischen Auflösung erstklassig.

„Nachtschicht – Ladies First“; ZDF, Montag, 20 Uhr 15

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