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Naher Osten: PR-Albträume und Kinderspiele

Dubai, Iran, Syrien: Die Einschränkungen journalistischer Arbeit für Korrespondenten in der arabischen Welt sind von Land zu Land unterschiedlich.

Einheimische Journalisten haben es nicht leicht in der arabischen Welt. Sie sind in der Regel schlecht ausgebildet, unterbezahlt und wenig respektiert. Und vor allem riskieren sie fast in allen Ländern Gefängnisstrafen wegen kritischer Berichterstattung – meist wegen angeblicher Angriffe auf die Ehre des Landes oder seiner Würdenträger. Die ausländische Korrespondentin hat ungleich größere Freiheit. Nur einmal in sieben Jahren hat sich bei mir eine Regierung über die Berichterstattung beschwert. Das war in Jordanien bei einer Geschichte über die Stadt Amman, die 2002 Kulturhauptstadt der arabischen Welt war. Im Vergleich zu Städten wie Jerusalem oder Damaskus ist Amman eine junge Stadt, die in ihrer heutigen Form erst im 20. Jahrhundert entstanden ist. Dies erklärt auch, warum es wenig städtische Kultur oder raffiniertes Kunsthandwerk gibt - war also eigentlich entschuldigend gemeint. Doch die jordanische Botschaft in Berlin ließ verärgert mitteilen, dass schon die Ammoniter hier gesiedelt hätten.

Dafür ist die Visumspflicht in vielen Ländern der Region ein gewaltiges Hindernis. Syrien, Saudi-Arabien und Iran verlangen ein Visum, das für Journalisten oft nur nach einem erschöpfenden Marathonlauf zu erlangen ist. Anschreiben, Themenvorschläge, ständige Telefonate, Briefe der Arbeitgeber – die Hürden sind gewaltig. In der syrischen Botschaft in Kairo wird man wie ein Schwerverbrecher behandelt – und stur aufgefordert, die letzten, längst abgelaufenen oder ungültigen Reisepässe neben dem gültigen vorzulegen. Es könnte ja hier ein Hinweis auf eine Reise nach Israel vermerkt sein – oder in die „besetzten Gebiete“, wie es auf dem Visumsantrag verwirrend heißt. Wer hier ein Kreuz macht, kann sowieso zu Hause bleiben.

In Syrien selbst geht es mittlerweile dagegen locker zu: Ein kurzer Höflichkeitsbesuch im Informationsministerium, wo man auch seine Gesprächswünsche mit Regierungsvertretern abgeben kann. Vorbei die Zeiten, als man an der Grenze zu Jordanien stand und nicht ausreisen durfte, weil man vergessen hatte, sich in Damaskus im Ministerium offiziell abzumelden. Mittlerweile macht man sein eigenes Programm, und die Menschen haben – anders als noch vor einigen Jahren – kaum noch Angst, sich mit Ausländern zu treffen. Allerdings: Oft wird nach dem Gespräch darum gebeten, den Namen nicht zu nennen. Viel Hintergrundmaterial und wenig Zitate also. Allerdings gibt es auch noch Oasen, in denen der Muff und die kuriose Mischung aus Sozialismus und Diktatur weiterleben. Wenige Stockwerke unter der Abteilung des Informationsministeriums für ausländische Journalisten hat der Chefredakteur der Parteizeitung „Baath“ sein Büro. Sein Bürovorsteher im braunen Anzug, original aus den 70er Jahren, weiß gar nicht, was er mit der ausländischen Journalistin anfangen soll. Er weigert sich verängstigt, einen Termin mit dem Chefredakteur auszumachen, bevor er nicht das dreifache „Okay“ des Informationsministeriums abgeholt hat.

Auch Saudi-Arabien hat begriffen, dass es besser ist, Journalisten ins Land zu lassen. Denn auch wenn sie kritisch berichten, so erzählen sie doch weniger Unsinn als ihre Kollegen aus New York oder Frankfurt, die noch nie im Land gewesen sind. Doch die Bürokratie mahlt eben langsam. Noch 2001 wurde man von einem Fahrer mit Wagen und einem Übersetzer des Informationsministeriums begleitet – eine Mischung aus Aufpassen und orientalischer Gastfreundschaft. Ein recht luxuriöser und bequemer Begleitservice, den ich eigentlich vermisse. Denn mittlerweile ist man auch in Riad froh, wenn die Journalisten sich allein beschäftigen. Allerdings muss man als Reporterin immer noch das Informationsministerium, also den Sponsor oder Garanten, bitten, das Hotelzimmer zu reservieren. Das Hotel darf die Reservierung einer Frau nicht annehmen – alleinreisende Frauen sind in Saudi-Arabien nicht vorgesehen.

In Iran ist der „Minder“ oder Übersetzer Pflicht. Er wird von Firmen gestellt, die mit dem Informationsministerium zusammenarbeiten. Sie sind richtige Aufpasser. Aber der Chef lässt auch manchmal Begleiter zu, die der Korrespondent sich selbst gesucht hat. Allerdings muss er dann doppelt zahlen: an den selbst gewählten Übersetzer und an das Begleitservicebüro, bei dem man sich davon freikauft, von einem Aufpasser begleitet zu werden. Die Einschränkung der Arbeit läuft dann über die Rücksicht auf den Übersetzer: Er bekommt Ärger, wenn man unliebsame Menschen trifft oder Orte aufsucht, die Ausländer nicht sehen sollen. Darauf muss der Korrespondent Rücksicht nehmen. Und darauf, dass er vielleicht noch mal ein Visum beantragen will.

Da lobt sich der Korrespondent doch anarchische Gebilde wie die Palästinensergebiete oder Libanon. Hier macht jeder, was er will – auch der ausländische Reporter. Allerdings kann man fast nichts planen. „Melden Sie sich, wenn Sie im Lande sind“, lautet der Standardsatz, wenn man versucht, im Voraus einen Termin auszumachen. Aber in Gaza oder Ramallah kann man dafür manchmal auch ganz spontan in das Büro eines Ministers gehen – und wird empfangen. Insgesamt ist es in Palästina und Libanon am einfachsten, einen Regierungsvertreter zu treffen.

Im Rest der arabischen Welt verbarrikadieren diese sich regelrecht. Oft bleibt dem Berichterstatter nichts anderes übrig, als sich mit der Opposition zu begnügen. Im Gegensatz dazu hat die islamistische Hisbollah in Libanon ein straff organisiertes Medienbüro, das Gesprächsanfragen von Journalisten kanalisiert und organisiert. Wenn die Führung die Parole „Schweigen“ ausgibt, ist es im ganzen Libanon unmöglich, ein Hisbollah-Mitglied zu interviewen, so beispielsweise wenige Tage nach Ende des Libanonkrieges 2006, als die Hisbollah die ersten iranischen Geldzahlungen an Menschen verteilte, die ihre Wohnung verloren hatten. Zwei Tage Funkstille, bis eine offizielle Linie erarbeitet war. An die sich dann auch alle halten. Journalistisch manchmal wenig ergiebig.

Insgesamt ist es in arabischen Ländern extrem schwierig, harte Fakten für harte Nachrichten zu sammeln. Eine kurze Bestätigung oder einen Kommentar eines Unternehmens oder der Regierung einzuholen, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Allein zuverlässige Zahlen und Statistiken zu finden, ist eine Herkulesaufgabe. Dies mag einer der Gründe sein, warum die arabische Presse so meinungslastig ist. Selbst unabhängige Blätter in Ägypten haben auf ihren Titelseiten oft ausschließlich Meinungsstücke, die allerdings nicht als solche deklariert sind.

Der eigentliche Albtraum für jeden Journalisten ist Dubai. Das hochgelobte, liberale Paradies am Golf, das Investoren und Unternehmen aus aller Welt anzieht. Hier bekommt man zwar das Visum unbürokratisch am Flughafen, aber ansonsten trügt der Schein gewaltig. Nicht nur versandet man bei großen Unternehmen wie MTV Arabia, das zur Arab Media Group gehört, systematisch in der Warteschleife oder wird in perfektem Englisch auf unbesetzte Apparate durchgestellt und dort vergessen. Die Businessmetropole Dubai ist ein einziges Marketingprodukt, und so hat jedes Kleinstunternehmen seine PR-Manager, die jede journalistische Arbeit auf zuvorkommendste Weise zu verhindern suchen. Hat man sich persönlich mit einem Finanzanalysten zum Interview verabredet, ruft mit Sicherheit am nächsten Tag eine freundliche PR-Dame mit britischem Akzent an, um die Themen und Fragen im Detail abzusprechen. MTV Arabia ist zwar an Werbung vor dem Sendestart interessiert, aber mit dem neuen Moderator darf die Korrespondentin nur über seinen eigenen Werdegang sprechen, nicht über die Sendung oder den Sender. Und am Ende wird sie bei der Besichtigung der Büros sehr freundlich des Hauses verwiesen – eine Premiere. Man könne sich aber jederzeit über eine weitere PR-Firma der Mediengruppe zum Besichtigungstermin anmelden, flötet eine strahlende PR-Dame. Hierbei gibt die staatliche Tourismus- und Marketingabteilung Dubais, DTCM, den Ton vor. Es wird schon reichen, deutsche Finanzjournalisten ins beste Hotel der Stadt und in die angesagten Restaurants einzuladen, um offene Münder und positive Geschichten zu ernten. Statt der angekündigten Chefs von vier Dubaier Topunternehmen stehen vor Ort dann zwar nur drittklassige Pressereferenten zur Verfügung, welche die allgemein bekannten Zahlen über Höhe des Burj Dubai herunterleiern. Dass dieses Edel-Sightseeing keine ernsthafte Wirtschaftsgeschichte ergibt, versteht dort aber keiner. Dann doch lieber wieder eine Reise ins heruntergekommene, chaotische Gaza.

Die Autorin ist Tagesspiegel-Korrespondentin für die arabische Welt, erst in Amman und nun in Kairo.

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