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Sonja Pohlmann arbeitet für die Medienredaktion des Tagesspiegels. Sie schreibt Fernsehkritiken und über digitale Phänomene.

© Doris Spiekermann-Klaas

Netzkolumne: My home is Facebook’s castle

Facebook soll die Startseite auf dem Smartphone werden. Unsere Autorin erklärt, warum sie keine Lust hat, ihre Freunde wegzuwerfen und warum die jüngste Zuckerberg-Neuerung eine Verzweiflungstat ist.

Das hört sich natürlich fantastisch an, was Mark Zuckerberg da am Donnerstagabend bei der Vorstellung der neuen App „Home“ ankündigte, die ab dem 12. April für alle HTC-Mobiltelefone herunterzuladen ist: Nicht „mobile first“ laute die neue Strategie von Facebook, sondern „people first“, Menschen zuerst – und davon hat Facebook eine Menge: Mehr als eine Milliarde Leute nutzen das soziale Netzwerk inzwischen weltweit, 680 Millionen über mobile Geräte. Doch um sie geht es am Ende gar nicht. Es geht um die Werbekunden, die mehr Geld in die Kassen des seit Mai 2012 börsennotierten Netzwerks spülen sollen. „Facebook first“ müsste die neue Strategie folglich heißen – aber das sagte Zuckerberg freilich nicht.

100 Mal würden die Menschen pro Tag auf den Bildschirm ihres Mobiltelefons schauen, er sei „die Seele des Telefons“. Und diese Seele will Facebook nun vereinnahmen. Aber eben so, dass sich die Nutzer gut dabei fühlen. Dafür steht schon der Name „Home“. Zuhause, da fühlt man sich wohl, da fühlt man sich sicher, dahin kehrt man gern zurück. Aber genau das ist bei der App nicht notwendig – denn sie ist einfach immer da. Wer sie installiert, wird mit Facebook dauerbeschallt.

Auf dem Bildschirm des Handys werden nicht mehr die Uhrzeit oder das App-Menü angezeigt, sondern der Facebook-Newsfeed mit Kommentaren, Fotos und Ortsangaben, die Freunde gepostet haben. Schickt ein Facebook-Freund eine Nachricht, per Messenger oder SMS, poppt diese automatisch zusammen mit einem Foto des Freundes auf dem Bildschirm auf – egal ob sich der Nutzer gerade in der Facebook-App befindet oder in einer anderen Anwendung, beispielsweise beim Lesen eines Zeitungsartikels. „Chatheads“ heißt diese Funktion, Plapperköpfe. „Wenn du mit ihnen fertig bist, kannst du sie einfach per Knopfdruck wegwerfen“, sagte Zuckerberg und ließ als Beispiel Facebook-Geschäftsführerin Sheryl Sandberg vom Bildschirm verschwinden.

Nun ist Empathie vielleicht nicht die Stärke des Computer-Nerds, aber eine Wegwerf-Funktion für Freunde ist allein aus rhetorischer Sicht nicht die beste Idee. Problematisch aber ist nicht nur die Wortwahl. Wer dauerbeschallt wird, hält sich schnell die Ohren zu. Gerade das will Facebook aber vermeiden. Zwar ging Zuckerberg darauf am Donnerstag nicht ein, doch werden auf dem Bildschirm wohl nicht nur der Newsfeed, sondern auch bildschirmgroße Anzeigen aufpoppen – und damit eine der großen Herausforderungen des Netzwerks lösen. Bisher konnten Anzeigen nicht in den mobilen Anwendungen platziert werden; angesichts der wachsenden mobilen Nutzung ein Ärgernis für das Unternehmen, das komplett werbefinanziert ist. Mit der neuen App könnten Anzeigen fürs Handydisplay zu einem vermutlich hohen Preis verkauft werden. Sofern die Nutzer mitspielen. Nicht dass sie am Ende nicht nur bei ihren Freunden auf „wegwerfen“ drücken, sondern Facebook auch gleich mitentfernen.

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