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Die Verwandte der Zarenfamilie (Marthe Keller, links) schätzt es anfangs gar nicht, dass ihr Neffe eine muslimische Haushaltshilfe (Inès Melab) hat.

© Foto: Amazon/Chris Raphael

Neue Amazon-Serie: Der Geist der „Romanoffs“

„Mad Men“-Macher Matthew Weiner begibt sich für die TV-Serie "The Romanoffs" auf die Spuren der Zarenfamilie - in acht Episoden mit Spielfilmlänge.

Bis das erste Mal eine Anastasia durchs Bild läuft, müssen sich die Zuschauer der neuen Prime-Video-Serie „The Romanoffs“ etwas in Geduld üben, dies passiert erst in der dritten Episode mit dem Titel „House of Special Purpose“ (übersetzt „Haus der besonderen Bestimmung“).

In dieser Folge spielt die großartige Isabelle Huppert eine äußerst eigenwillige Regisseurin. Zum Befehlston fehlt nur noch die Reitpeitsche. Ihre Jacqueline Girard setzt die letzten Tage der russischen Zarenfamilie in drastischer Weise in Szene und bringt damit vor allem ihre Zarin-Alexandra-Darstellerin Olivia – gespielt durch die aus „Mad Men“ bekannte Vollweib- Schauspielerin Christina Hendricks – um den Verstand. Hitchcock lässt grüßen.

Hinter den „Romanoffs“ steckt Matthew Weiner, der insbesondere für seine Serie „Mad Men“ über den Wahnsinn in der amerikanischen Werbebranche der 1960er Jahre und die Mafia-Serie „Die Sopranos“ mit neun Emmys ausgezeichnet wurde. Mit diesen beiden Serien lässt sich die neue Produktion, die beim Streamingdienst von Amazon läuft, allerdings nicht vergleichen.

Der Großmeister des horizontalen Erzählens („Mad Men“ umfasst sieben Staffeln, „Die Sopranos“ sechs) hat das neue Projekt als achtteilige Anthologieserie aufgezäumt. Jede Episode besteht aus einer in sich abgeschlossenen Handlung, für jede Folge wurde ein eigenes Ensemble engagiert und jeder Teil hat Spielfilmlänge.

Die Dreharbeiten fanden in sieben Ländern auf drei Kontinenten statt. Die verbindende Klammer ist die im Jahr 1917 ermordete Zarenfamilie. Dabei fließen auch immer wieder die Ereignisse während der Zeit der russischen Oktoberrevolution ein, doch die Handlung spielt jeweils in der Gegenwart. Denn erzählt werden die fiktiven Geschichten von Menschen, die entweder tatsächlich im weitesten Sinne Nachfahren der Zarenfamilie sind oder es zumindest zu sein glauben.

"Die Frage ist, wer sind wir?"

„Es gibt eine große Debatte darüber, wer ein Romanoff ist und was mit den Romanoffs passiert ist. Für mich geht es darum, die Frage zu stellen, wer wir sind und was wir sagen, wer wir sind“, sagte dazu Matthew Weiner, der bei den „Romanoffs“ zugleich als Produzent, Regisseur und Autor tätig war, dabei aber auch von einem großen Team unterstützt wurde.

Dem besonderen Ansatz folgend stellt Amazon die Episoden nicht am Stück, sondern im wöchentlichen Rhythmus zur Verfügung und beginnt damit am Freitag mit einer Doppelfolge. Der Start erfolgt zeitgleich in über 200 Ländern, die deutsche Synchronfassung ist für Anfang 2019 angekündigt.

Den Anfang macht die Folge „The Violet Hour“, für Matthew Weiner ein modernes Märchen. In der Hauptrolle ist Marthe Keller (sie spielte 1976 an der Seite von Dustin Hoffman in „Marathon Man“) zu sehen. Anushka Lecharney ist eine Nachfahrin der Romanoff-Familie und lebt – wie viele aus dem alten russischen Adel – in der französischen Diaspora in Paris. Sie ist inzwischen im fortgeschrittenen Alter, um ihre Gesundheit steht es nicht zum Besten.

Sie selbst sorgt sich vor allem darum, dass die Familienlinie nicht mit ihr endet. Denn ihr Sohn ist gestorben, bei seinem Tod färbte sich der Himmel violett. Ihr Neffe (Aaron Eckhart) war bislang auch keine große Hilfe. Zusammen mit seiner Lebensgefährtin hofft er vor allem darauf, möglichst bald in die elegante Wohnung einziehen zu können. Besonders verärgert ist die Aristokratin, als ihr Neffe eine muslimische Haushaltshilfe (Inès Melab) einstellt, doch dann nimmt eine rührende „Ziemlich beste Freunde“-Geschichte ihren Lauf.

„Die Romanoffs“, das sind acht Preziosen. Mal eher ruhig erzählt, mal im Suspense-Stil aufgebaut, aber immer bewegend und sehenswert.

„The Romanoffs“, acht Episoden, Amazon Prime Video, jeweils freitags

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