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He, Bulle! Marcos Pinto (Manuel Cortez, l.) hat was gegen Jan (David Rott) .

© RTL

Neue RTL-Serien: Böse Cops, schlechte Bücher

"Alarm für Cobra 11", "Der Lehrer", "Bad Cop": RTL präsentiert mit großem Aufwand seine neuen eigenproduzierten Serien und bleibt doch in der Vergangenheit.

Die TV-Serie hat’s schwer, seit ihr gemeinschaftsstiftendes Potenzial Geschichte ist. Während sie international das sinnstiftende Kino ablöst, schafft es aus deutscher Produktion nicht mal die „Lindenstraße“, über den schrumpfenden Kreis echter Fans hinaus Relevanz zu simulieren. Die Zeit für eine Serienoffensive ist reif. Wenn Philipp Steffens im „radical chic“ eines Koch-Lofts im Hamburger Hafen ankündigt, „die Dosis eigenproduzierter Fiction weiter zu erhöhen“, dann wirkt das zunächst zielführend. Wäre da nicht sein Arbeitgeber: RTL.

Dort verantwortet der zuständige Bereichsleiter, was dessen Chef Frank Hoffmann an diesem Spätsommermontag „Fiction-Offensive“ nennt. Beim Amtsantritt hatte der Geschäftsführer den Kurs von Vorgängerin Anke Schäferkordt zur Scripted Reality nicht gerade umgedreht, aber spielerisch ergänzt. „Wenn wir als Marktführer stark sein wollen, müssen wir die Fiction stärken“, vor allem: „Heimat sein für Talente und Kreative.“

Um das zu zeigen, hat Hoffmann sechs Serien zum „Werkstattgespräch“ mitgebracht. Klingt kultiviert der Zukunft zugewandt. Bis die Show beginnt. Nach den Protagonisten des ansehnlichen, nach elf Jahren aber leicht abgewetzten Pädagogik-Spaßes „Der Lehrer“ ruft Moderator Jan Köppen die Macher von „Alarm für Cobra 11“ ins Vintage-Mobiliar und belegt die eigene Anspruchshaltung. Seit 1996 sorgt die Krimi-Langzeitexplosion für Quote, aber auch den miserablen Ruf von Eigenproduktionen Marke RTL (es geht auch anders).

Ohrfeigen und Logiklücken

Daran ändert auch die angebliche Serien-Innovation „Bad Cop“ nichts, diese ist: ein Polizeiformat, mit neuen Protagonisten. Als Kommissar Jesco Starck bei einem Drogendeal seines Bruders Jan erschossen wird, übernimmt der Kleinkriminelle die Existenz seines Zwillings und narrt alle, die es besser wissen müssten: Kumpels, Kollegen, Kinder, seine Frau.

Trotz charmanter Passagen ist der Zehnteiler ein Mix aus Nick Tschiller und Pater Brown, bei dem Fausthiebe noch klingen wie Ohrfeigen und Logiklücken einfach weggesprengt werden. Würde David Rott seiner Doppelrolle nicht solch lässige Nonchalance verleihen, das Drehbuch von Claudia Kratochvil wäre selbst für RTL-Verhältnisse zu unglaubwürdig.

Verglichen mit dem Rest – dagegen wirkt „Bad Cop“ fast dokumentarisch. Wenn Daniel Donskoy als Trickbetrüger „Sankt Maik“ dank einer geklauten Soutane zum Pfarrer wird, verirrt sich die Fiction-Offensive im Klamauk der schwarz-weißen 50er. Wenn Bert Tischendorf als gehörnter Hausmann „Beck is back!“ mit vier Kindern als Rechtsanwalt neu startet, unterscheidet ihn abgesehen vom poppigen Titel nur das modernere Geschlechterbild vom Unterhaltungsanspruch der beigegrauen 80er.

Trotzdem geht von dem PR-Event ein Signal aus. Moderator Sebastian Andrae bittet in seiner Funktion als Vorstand im Verband Deutscher Drehbuchautoren nicht wie sonst die Stars allein aufs Podium, sondern auch einige seiner Mitglieder. Im hysterischen Eigenlob des hausinternen Auditoriums gehen die Namen unbekannter Textverfasser stets unter.

Doch falls die von Tommy Wosch oder Annica Heine den Jubelsturm durchbrechen, machen schon ihre Gesichtszüge deutlich, wie dankbar sie sind, ihre Schreibhöhlen ins Rampenlicht zu verlassen. Das ist am Ende die weitaus wichtigere Botschaft aus Hamburg als ein paar fiktionale Werbeblockumfelder: Der Writer’s Room ist endlich auch in Deutschland heimisch. Jan Freitag

„Bad Cop“, Donnerstag, RTL, 21 Uhr 15

Jan Freitag

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