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Neues altes Märchen: Anekdoten vom Sommer 2006

Die ARD fragt erneut „Wo warst du, als...?“ Folge eins erinnert an da WM-Sommermärchen 2006

Der letzte Tor in Südafrika ist womöglich gerade gefallen, da erinnert die ARD an das Sommermärchen von 2006, das Original gewissermaßen. WM im eigenen Land. Die deutschen Fußballer, denen man nicht wirklich etwas Großes zutraute, hauen bis zum Halbfinale gegen Italien jede Mannschaft weg, naja, die Argentinier nicht ganz so deutlich wie 2010. Aber Deutschland entdeckt Schwarzrotgold, ein fröhlicher Party-Patriotismus ergreift die Republik, die ausländischen Fans feiern mit und wundern sich. Uwe Seeler, der ewige Mittelstürmer, bringt es auf den Punkt: „Das war ein Volltreffer.“

Am späten Abend nach dem WM-Finale in Johannesburg startet die ARD eine zweite Staffel der Doku-Reihe „Wo warst du, als...?“ Zum Auftakt also: „... als die Welt zu Gast bei Freunden war“. Ob das klug ist nach soviel Echtzeit-Fußball im Vorlauf und einem ähnlich enttäuschenden Ausgang, sei dahingestellt. Aber es gibt keine Spielszenen zu sehen von 2006. In den Filmen von Christian Dassel werden die Kameras auf Details im kollektiven Erinnerungs-Mosaik gerichtet, sie erzählen kleine Geschichten, die sich am Rande eines historischen Ereignisses abspielen. Oder mittendrin. Dass Gerhard Delling und Johannes B. Kerner ihre Promi-Nasen auch in diesen Film stecken müssen, ist ziemlich überflüssig – eine schlechte Angewohnheit des Fernsehens ist es, sich ständig selbst zu zitieren.

Ein Sommermärchen der besonderen Art hat Gabi Baumann erlebt. Während ihr Mann Jürgen, ein kundiger Fußball-Fan, beim Online-Tippen überaus systematisch vorgeht, rät sie eher aus dem Bauch heraus. Tippt Schweden gegen Trinidad-Tobago 0:0 („Ich hab gar nichts überlegt“), setzt auf Weltmeister Italien („Da waren wir schon ein paar Mal in Urlaub“) und startet so eine unheimliche Siegesserie, die ihr am Ende eine Reise, einen Rasenmäher und eine halbe Haushaltseinrichtung einbringt. Eine hübsche Anekdote, bei der die vielen vermeintlichen Experten mitfühlen können, die sich über das an ihnen vorbeiziehende Heer der Ahnungslosen ärgern.

Auf Leben und Tod geht es dagegen bei Horst Fascher, der während des dramatischen Viertelfinals gegen Argentinien einen Herzinfarkt erleidet. Fascher wird man übrigens in der fünften und letzten Folge („…als der Rock’n’Roll nach Deutschland kam“) wiederbegegnen, denn der Mann ist als ehemaliger Geschäftsführer des „Starclub“ eine Hamburger Musiklegende. Außerdem erinnern ein Dortmunder Gastwirt und ein junger Polizist daran, dass es nicht immer nur friedlich zuging im Sommermärchen-Sommer.

Für die Fußball-Insider interessant ist der Auftritt von Adi Katzenmeier, des ehemaligen Physiotherapeuten der Nationalmannschaft. Der heute 75-Jährige ist eine Kultfigur, denn er erlebte von Sepp Herberger bis Joachim Löw alle Bundestrainer nach dem Krieg. Naserümpfend erzählt Katzenmeier, wie Michael Ballack mit seiner verletzten Wade „bei einem Guru“ war, der „Wässerchen verteilte“. Im Lauf des Turniers habe sich dann „diese Euphorie auf die Mannschaft gesetzt“. Bis zum bitteren Ende, als aus dem Physiotherapeuten ein Seelenmasseur wurde, der nach dem Halbfinale weinende Männer durchknetete. So dürfte es auch 2010 in Durban gewesen sein. Wen das nicht anrührt... tgr

„Wo warst du, als die Welt zu Gast bei Freunden war?“; ARD, 23 Uhr 55

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