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Medien: „New York kann jeder“

Else Buschheuer kam aus dem Tempel aufs „Riverboat“ in Leipzig. Ein Gespräch über Scheitern in der Talkshow, Heino und Sushi

Frau Buschheuer, was haben Sie seit unserem letzten Treffen 2001 gemacht?

Bin früh schlafen gegangen.

???

Ein Filmzitat. Aus welchem Film?

Keine Ahnung.

„Es war einmal in Amerika.“ Also, Was hab ich gemacht? War in New York. Zwei Romane geschrieben. Zwanzigmal umgezogen. In einem Tempel gelebt. Muffins gebacken. Katzen gesittet. Nach Kalkutta gegangen, Sterbende betreut. Geheiratet. Scheiden lassen. Nach Bangkok gegangen. Dengue-Fieber gehabt. Trommeln gelernt. Nach Kathmandu gegangen. Die Kindgöttin besucht. Ach so, rausgeflogen beim WDR nach nur einem „Kulturweltspiegel“.

Wir erinnern uns lebhaft. Dabei wollte Fritz Pleitgen Sie zum Kulturgesicht der ARD machen.

Erst wollte er, dann wollte er nicht mehr. Männer! Ich war ja fünf Jahre früher auch schon mal rausgeflogen, bei „StarReport“, einer RTL-Sendung, die es nachher nie gab. Ich war eine kritische, engagierte, vielleicht etwas großmäulige Redakteurin. Meinem Chef hatte damals jemand geraten, er soll dem Rädelsführer den Kopf abhacken und auf einen Pfahl spießen. Das war wohl meiner.

Eilenburg – Leipzig – Potsdam – Berlin – Hamburg – Köln – München – New York – Kalkutta. Aber warum jetzt wieder Leipzig?

New York kann jeder. Leipzig ist eine Herausforderung. Ich wohne gern hier. Hatte allerdings gehofft, als Heimkehrerin herzlicher aufgenommen zu werden. Ich glaube, die Leipziger kaufen mir die Sächsin nicht ab. Ehrlich gesagt, ich kauf mir die Sächsin selber nicht ab. Obwohl ich schöne Lieder kann (stimmt „Sing mei Sachse sing“ an).

Wir kaufen Ihnen die Sächsin auch nicht ab. Sie haben den Stallgeruch verloren. Sind Sie nicht vielmehr aus New York zurückgekommen, weil Ihnen das Geld ausgegangen ist?

Auch. Und meine Ehe war im Eimer. Und meine Green Card war abgelehnt worden. Und mein Mietvertrag lief aus. Eines Tages morgens früh um sieben rief mich Udo Foht, der MDR-Unterhaltungschef, in Manhattan an: Sagense mal, Frau Buschheuer, was machense eijentlich nächste Woche? Der Rest ist Geschichte.

Geköpft von RTL, gefeuert vom WDR. Nun sind Sie ein mitteldeutscher Lokalpromi, ein MDR-Gesicht. Aber nach nur 18 Monaten „Riverboat“ ist auch schon wieder Schluss. Wir haben uns sowieso gefragt, was Sie da wollten.

Ich dachte, so eine Talkshow ist doch eine prima Plattform. Ich hatte vier Jahre in New York gelebt. Die „Venus“, der Roman, in dem ich meinem Tempel ein Denkmal setze, verkaufte sich nicht gut. Und mein vierter Roman, der „Koffer“, war grade fertig. Vielleicht nahmen mir ja meine Leser die Republikflucht übel. Ich wollte strategisch denken. Ich wollte wieder präsent sein. Aber mein Schlachtruf: „Buschheuer ist wieder da“ blieb weitgehend ungehört. Und der „Koffer“ blieb weitgehend ungelesen.

Bei „Riverboat“ mussten Sie sich überdies mit wildfremden, unsympathischen Menschen unterhalten.

Gott, ja, manchmal. Wobei, jeder ist für irgendwen wildfremd und unsympathisch. Aber ein 7-Minuten-Tralala-Gespräch mit Volksmusikanten, ausgerichtet daran, einen Zuschauer gnädig zu stimmen, über dessen Geschmack und Tagesform wir nur mutmaßen können, ist eine Kunst, die ich nicht beherrsche. Ich wollte es mit Konsens probieren. Sie kennen das sicher aus der großen Koalition: Viele Menschen einigen sich auf etwas, was niemandem gefällt. Ich wollte gutartig sein, kollegial, lernfähig, bescheiden. Kann ich im Nachhinein nur abraten von.

Alles ein Flop?

Gut, das Universum ist ein Flop, die Erde ist ein Flop, das Leben ist ein Flop, wir wollen nicht kleinlich sein. Ich zerstöre halt gern die eigene Marke. Ich gehe Risiken ein, weil ich sie nicht einschätzen kann, ich hab jetzt mal was Artfremdes probiert. Ich bereue nichts. Obwohl ich den Eindruck hab, dass mich nicht jedes Scheitern gescheiter macht.

Sie sind wieder rausgeflogen, stimmt’s?

Aus der Sendung, ja, nicht aus dem Sender. Die Quoten, die Umstände, böse Zuschauerbriefe. Jetzt krieg ich ein Kinomagazin. Kino weiß ich. Da kann ich ich sein.

Wer dreimal rausfliegt, ist doof.

Aller guten Rausschmisse sind drei.

Vielleicht waren Sie beim „Riverboat“ ja auch zu lieb?

Sagen wir, ich bin in meine eigene Konsens-Falle gegangen: Gefesselt, geknebelt, verkleidet – ein Fremdkörper in einer traditionsreichen Kuschel-Show. Einmal raunte mir ein Kollege vor der Sendung zu: Los Else, lass heut mal die Sau raus. Aber die Sache war die: Es war gar keine drin.

Mit einem Wort: Es war furchtbar.

Es war furchtbar, und es war meine eigene Schuld. Ich hätte ja schon viel eher hinschmeißen können. Aber nein. Ich wollt’ es ja wissen. Ich wollt’ es ja schaffen. Ich bin in jede Sendung reingegangen wie aufs Schafott. Ich hab mir auf die Zunge gebissen, geschwitzt, gegrinst, gestammelt. Im ersten Jahr hab ich gehofft, dass es keiner merkt. Im zweiten Jahr hab’ ich gehofft, dass der Knoten platzt. Aber der war aus Stahl.

Frau Buschheuer, Sie wirken befreit.

Ich bin wahnsinnig befreit! Von meinen Schultern ... oder sagt man vom Herzen? ... fällt ein ganzes Hochgebirge (zur Kellnerin: Noch einen halben Liter Schorle bitte!). Freunde der Sonne, trinken wir auf die Freiheit.

Prost! Sie waren sogar lieb zu Heino.

Anstatt zu fragen, ob er nach seiner Abschiedstournee mehr Zeit mit Hannelore verbringen will, hätte ich lieber gefragt, ob es stimmt, dass seine Augäpfel irgendwann wegen Morbus Basedow so sehr herausstanden, dass sie von innen gegen die Sonnenbrille stießen. Oder seine Wadenpolster. Er hat zu dünne Waden, las man mal, also benutzte er eine Aufpolsterung. Oder seine Echthaarperücke. Wo er die kauft. Wie viele er hat. Ob das juckt. Was er nachts trägt. Fragen, die auf der Hand liegen. Schlimmer war die Sendung mit Costa Cordalis – netter Kerl eigentlich. Der saß neben mir auf der Couch mit der Gitarre und sang mich mit „Anita“ an. Da hab ich gedacht: Lieber Gott, mach, dass das niemand sieht. Und hab’ gelächelt. Und im Takt geklatscht.

Sie waren nicht so lieb wie Kim Fisher.

Na, was denn nun? Zu lieb. Nicht lieb genug ... Kim Fisher duzte Heino, weil sie ihn kannte. Das fanden alle okay. Ich duzte Wim Wenders, weil ich ihn kannte. Das fanden alle unpassend. Kim ist wie Kuchen, ich bin wie Sushi. Und das war mein Problem. Fragen Sie mal unsere Zuschauer, was sie lieber essen: Kuchen oder Sushi.

Sie sind kein richtiger Ossi, das ist es wahrscheinlich.

Aber was ist das, ein richtiger Ossi? Woran erkennt man den? An der Kleidung? An der Kopfform? Am Dialekt? Am Gejammer? Am Hang zu Substantiven? Sehen Sie sich Merkel an. Ist die noch als Ossi erkennbar? Und wenn ja, was verrät sie? Die Frisur? Die Russischkenntnisse? Die großen weißen Jackenknöpfe?

Letzteres.

Jedenfalls kam ich mit diesem ruppigen Amazonen-Look aus New York, flache Schuhe, kurze Haare, Rolli. Udo Foht sagte: Die weibliche Rolle, det ist wohl nüscht für Sie, Frau Buschheuer. Das werden wir ja sehen, dachte ich, dann spiele ich die weibliche Rolle, wenn ich schon als Ostkartoffel versage. Hab’ mir die Haare wachsen lassen und die Fingernägel. Hackenschuhe. Hier ein Blüschen, da ein Strähnchen, dort ein Kettchen. Und?

Sie sehen umwerfend aus.

Nicht wahr? Leider sind Sie nicht die Zielgruppe. Strähnchen hin oder her, ich bleibe eine Fehlbesetzung. Herbert Feuerstein, der mich schon länger kennt, sagte mal, ich sei ein Kernkraftwerk. Und ein „Riverboat“-Zuschauer schrieb mir jüngst, ich verbreite die arktische Kälte einer Schneekönigin. Na, was denn nu?

Die Moral von der Geschicht?

Vielleicht frei nach Faust:

„Setz dir Perücken auf von Millionen Locken,

Setz deinen Fuß auf ellenhohe Socken,

Du bleibst doch immer, was du bist.“ –

Die Schneekönigin, die Sushi frisst.

Das Interview führten Thomas Eckert und Joachim Huber.

Else Buschheuer letztmals im „Riverboat“: heute, 22 Uhr, MDR-Fernsehen

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