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Aufgespießt auf einem Hirschgeweih wird die Leiche einer jungen Frau gefunden.

© Sat1

Nicht nur die de Sat-1-Serie "Hannibal": Brutal? Gerne!

Nie war mehr Mord und Totschlag im Fernsehen. Die Hitliste der aktuellen TV-Grausamkeiten führt "Hannibal" an. Warum die Angst vor Langeweile mit Brutalität beantwortet wird.

Ein Höhepunkt, so faszinierend wie fragwürdig. In „Hannibal“, der bei Sat 1 ausgestrahlten Serie, reiht sich Mord an Mord. Die ausgeweideten Leichen sind exquisit inszeniert. Der Zuschauer soll und wird sich gruseln. Nach 22 Uhr geht das, da sind die formalen Kriterien des Jugendschutzes erfüllt.

„Hannibal“ wird die Hitliste der aktuellen TV-Grausamkeiten anführen. Leicht zu erringen ist der Spitzenplatz nicht. Das deutsche Fernsehen, ob privat oder öffentlich-rechtlich, ist ein Krimi- und Crime-Fernsehen. In der Entwicklung des Mediums vom Angebots- zum Nachfragemedium ist das folgerichtig. Der Zuschauer bevorzugt das Spannungsfernsehen, wie der Leser einen Krimi nach dem anderen in den Bestsellerlisten nach oben kauft. Das wahre Leben muss zigfach abgesichert sein, doch im Kopf, und wenigstens da, darf es brutal zugehen.

Nie war mehr Mord und Totschlag

Krimis werden verfilmt, sie kommen ins Fernsehen und begegnen dort dem „Polizeiruf 110“, in dem eine Mutter das Messer im Kindergarten schwingt. Nie war mehr Mord und Totschlag in den Serien, ob heimisch produziert oder eingekauft.

Das passt in eine Gesellschaft der Friedfertigen. Tagsüber werden Bäume geschützt, abends Kehlen geschlitzt. Natürlich nur in der Fiktion, die die Fantasie des Publikums anheizt. Der billige Krimi zeigt alles in triefenden Bildern, der bessere setzt Bilder frei. Gewalt entlädt und entgrenzt sich im Kopf.

Zu viel? Zu brutal? Am Ende zutiefst beruhigend, weil der Böse nie den Guten entkommt? Nach 45, nach 90 Minuten sind Unordnung und Irritation vorbei. Tiefenentspannung im Omm-Modus plus die Gewissheit: Verbrechen lohnen sich nicht. Das Fernsehen ist der erklärte Freund und Helfer der Polizei. Das ist wahr und eine Ausrede zugleich. Die Macher finden noch jeden Dreh, einen Stoff zu kriminalisieren. Die Angst vor Langeweile im Programm wird mit Brutalität im Programm beantwortet. Sie ist nicht zufällig, sie ist gewollt, sie ist strukturell.

Die postheroische Gesellschaft ist immer auch eine hedonistische. Die Gewalt der anderen wird individueller Genuss. Boxen, Treten, Töten, – welche Grausamkeit hätten’s denn gern?

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