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Medien: „Nicht tatenlos zusehen“

Kabinett billigt gelockerte Fusionskontrolle / Clement: Kritiker verkennen Realität

Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement ist seinem Ziel, die Pressefusionskontrolle zu lockern, einen Schritt näher gekommen. Am Mittwoch stimmte das Kabinett dem Gesetzesentwurf zu. „Ich habe hierfür eine Leidenschaft, weil es um die Substanz des Landes geht“, sagte Clement nach der Kabinettssitzung. „Als zuständiger Minister kann ich nicht tatenlos zusehen, wie die Vielfalt der Presse durch die Erosion ihrer wirtschaftlichen Basis leidet“, sagte Clement außerdem und warnte: Ohne die Liberalisierung des Kartellrechts bestehe die Gefahr, dass in zehn Jahren in noch weit mehr Regionen als heute nur eine einzige Zeitung mit unterschiedlichen Lokalausgaben erscheinen wird und die Redakteure unter wirtschaftlich und sozial schlechten Bedingungen arbeiten.

Dennoch dürfte Clements Gesetzentwurf noch verändert werden. „Wir haben noch erheblichen Diskussionsbedarf“, sagte er und zeigte sich offen für Gespräche. Mit Blick auf Kartellamtschef Ulf Böge sagte Clement jedoch, die Kritiker einer liberalisierten Pressefusionskontrolle „verkennen die Realität“. Strukturelle Probleme und die Konkurrenz durch das Internet und andere Medien gefährdeten die wirtschaftliche Basis der Zeitungen sowohl auf dem Werbe- als auch auf dem Lesermarkt. Die neuen Regeln dagegen „erlauben die Verbreiterung der wirtschaftlichen Basis der Verlage unter Aufrechterhaltung der publizistischen Vielfalt“.

Nun muss das Gesetz noch durch den Bundestag und den von der Union dominierten Bundesrat. Während sich sowohl die FDP als auch die Grünen gegen die Lockerung der Pressefusionskontrolle aussprechen, hat sich die CDU bislang keine einheitliche Fraktionsmeinung gebildet. Hier gilt der Einfluss des Verlags Axel Springer als entscheidend.

Kritiker werfen Clement vor, er gefährde mit dem Gesetz die deutsche Pressevielfalt. „Ich will die Vielfalt erhalten“ und „das Überleben von Zeitungsverlagen möglich machen“, entgegnete der Minister. Er verwies darauf, dass die Zeitungen mit Problemen zu kämpfen hätten, die weit über die aktuelle Wirtschaftslage hinausgingen. Zeitungen würden immer weniger und von immer älteren Menschen gelesen. Es bestehe zudem die Gefahr, dass Verlage verstärkt von ausländischen Konzernen aufgekauft würden, wenn der Handlungsspielraum für deutsche Verlage nicht erweitert wird.

Dem Entwurf zufolge sollen Kooperationen im Anzeigengeschäft generell erlaubt werden. Fusionen müssen vom Kartellamt nur noch dann gebilligt werden, wenn die Verlage gemeinsam mehr als 50 Millionen Euro Umsatz statt bisher 25 Millionen Euro erzielen. Bis zu einer Bagatellgrenze von zwei Millionen Euro Jahresumsatz können Zeitungsverlage kontrollfrei übernommen werden. Zusammenschlüsse sollen jedoch auch dann möglich sein, wenn daraus eine marktbeherrschende Stellung folgt. Daher soll der Verkäufer oder ein Dritter als Minderheitspartner mit weitreichenden Rechten die redaktionelle Selbstständigkeit der Zeitung wahren.

Die mögliche Folge für die derzeit 350 in Deutschland erscheinenden Zeitungen könnte sein, dass sich 50 Verlage ohne Kartellkontrolle zusammenschließen könnten. Etwa 30 Kleinstverlage könnten kontrollfrei aufgekauft werden. Ziel des neuen Gesetzes ist es, die Werthaltigkeit der Verlage zu erhöhen. Dies sei gerade für Verleger kleiner Zeitungsunternehmen wichtig, wenn es um die Suche nach einem Nachfolger geht, so Clement. Gab es bislang kaum Handlungsspielräume, kann eine renditeschwache Zeitung künftig ihre wirtschaftliche Perspektive erhöhen, wenn sie mit Zeitungen aus demselben oder aus benachbarten Vertriebsgebieten kooperieren oder fusionieren kann.

Um einem Missbrauch vorzubeugen, sieht der Gesetzentwurf entsprechende Klauseln vor. So darf ein Verlag nicht „wiederholt und zeitlich eng aufeinander folgend“ Zeitungen übernehmen, um so Regionalketten zu bilden. Kritiker monieren, dieser Zeitraum sei nicht ausreichend definiert. Eine weitere Klausel besagt, dass Fusionen möglich sind, wenn die Anzeigen- und Beilagenerlöse in den letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahren vor Anmeldung der Fusion rückläufig oder erheblich unter Durchschnitt waren. Dies, so die Kritiker, gelte derzeit für viele Zeitungen.

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