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Nichts für Bildungsbürger: Kot und Spiele

Die neue Staffel von das „Supertalent“ auf RTL ist wieder ein Quotenhit - warum die Zuschauer auf Dieter Bohlens Freakshow abfahren.

Hereinspaziert, meine Damen und Herren! Treten Sie näher, schauen Sie, staunen Sie! „Das Supertalent“ auf RTL funktioniert genau wie die klassische Freakshow auf der Kirmes. Nur dass statt den bärtigen Liliputaner-Schwestern, die zweistimmig Melodien pupsen können, heute ein zottelhaariges Helge-Schneider-Double mit Hitlerbärtchen auftritt, sich bis auf Stringtanga und Stützstrümpfe nackig macht, um dann seinen käseweißen Schwabbelbauch tanzen zu lassen. Großbusige Frauen zerquetschen hier Melonen, kunstsinnige Herren pinseln mit ihrem Penis Ölbilder. Am vergangenen Samstag schalteten über neun Millionen das „Supertalent“ ein. Bei der begehrten Konsumentenzielgruppe der 14- bis 49-Jährigen erreichte RTL damit einen Rekordmarktanteil von fast 40 Prozent.

Der Bildungsbürger wendet sich mit Grausen ab. Menschen, die ihre Sensationsgier so weit sublimiert haben, dass ihnen ein Roman von Jonathan Franzen genügt, wenn sie in menschliche Abgründe blicken wollen, belegen jeden mit dem Bannfluch, der die 2010 mit einer „Goldenen Kamera“ ausgezeichnete RTL-Show einschaltet. Dabei läuten solche Volksbelustigungen keineswegs den Untergang des Abendlandes ein, sondern sind genuiner Bestandteil unserer Kulturgeschichte.

Schon die Kreuzigung eines gewissen Jesus von Nazareth soll eine beachtliche Einschaltquote gehabt haben, Hexenverbrennungen und öffentliche Hinrichtungen erwiesen sich über Jahrhunderte als Publikumsmagnet. Und „Das Supertalent“ ist eben der aktuelle Circus maximus der TV-Unterhaltung.

Echte Talente sind hier jedoch die Ausnahme. Die meisten der 40 700 Bewerber, die bei der vierten Staffel mitmachen wollten, sind echte Freaks, die Zirkusnummern präsentieren. Vor einer Jury, die mit drei Prachtexemplaren aus dem Panoptikum der Privatfernseh-Promis besetzt ist: Bruce Darnell, Spielerfrau Sylvie van der Vaart, und das letzte Wort hat natürlich der König des deutschsprachigen Massenentertainments, Dieter Bohlen.

Beim „Supertalent“ dreht sich alles einzig und allein darum, die niedrigsten Unterhaltungsbedürfnisse des Publikums zu befriedigen: Überraschung, Mitleid und Ekel. Für diesen Sonnabend ist ein Kandidat angekündigt, der sich nicht nur einen Kleiderbügel durch die Nase zieht, um dann seine Jacke daran durch die Luft zu wirbeln, sondern anschließend auch noch seinen Oberkörper mit einem Tacker perforiert.Frederik Hanssen

„Das Supertalent“, RTL, 20 Uhr 15

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