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Medien: Nie mehr zweite Liga?

Rainer Hüther hat aus dem DSF einen profitablen Sportsender gemacht. Jetzt will er bei der WM 2006 mitmischen

Natürlich haben sie neue Fahnen vor dem Flachbau mit der Backsteinfassade aufgezogen: orange, in Signalfarben, so dass man sie einfach nicht übersehen kann, wenn man in München-Ismaning auf den Firmensitz des Deutschen Sportfernsehens DSF zusteuert. Und natürlich ist auch überall das neue Logo des Senders drauf: auf den Fahnen, auf den Eingangsschildern und dem Notizblock, den man überreicht bekommt, wenn man das DSF schließlich gefunden hat. Entschuldigung. Seit 1. Februar heißt der Sender ja D:SF. Mit Doppelpunkt in der Mitte. Alles streng nach dem Motto: Neuer Sender, neue Verpackung.

Im Büro des Pressesprechers fällt der Blick auf ein kleines Plakat mit dem Slogan: „Erste Liga. Zweite Liga. Bundesliga. Wir haben alles.“ Schön, denkt man sich, aber wie lange noch? Doch schon läuft man Rainer Hüther in die Arme, dem Geschäftsführer des Senders, der sich in Sachen erste Fußball-Bundesliga relativ entspannt gibt. Das überrascht, denn das Hickhack um die TV-Rechte an der Bundesliga ist derzeit wieder voll im Gang. Und das DSF hat dabei ein Pfund zu verlieren. Dort laufen in dieser Saison erstmals die Sonntagsspiele der ersten Liga. Elf Millionen Euro hat man sich diesen Coup kosten lassen. Die teure Investition beschert dem DSF inzwischen regelmäßig über drei Millionen Zuschauer, damit einen satten Marktanteil von knapp zehn Prozent am Sonntagabend. Doch könnte es mit der schönen neuen Aufmerksamkeit bald wieder vorbei sein, denn die Deutsche Fußball Liga (DFL) muss für die kommende Spielzeit die TV-Rechte neu vergeben. Fein raus ist hier nur die ARD, deren Sportschau-Verträge laufen bis 2006.

Im Sportpolitikum Fußball-Rechte geht es also wieder mal zur Sache: In recht kurzen Abständen schickt beispielsweise Premiere- Chef Georg Kofler neue Angebote an die DFL. Sogar Spekulationen um jungfräuliche Pay- TV-Pläne rund um die Fußball-Bundesliga der ProSiebenSat.1-Gruppe werden seit wenigen Tagen hochgekocht. Bundesliga-Namenssponsoring, Wiedereinführung der Freitagsspiele, Anstoßzeiten – über alles wird diskutiert. DSF-Geschäftsführer Hüther hat sich in diesem seit Wochen laufenden Match Zurückhaltung auferlegt. Trotz der großen Bedeutung von Ballack & Co. sagt er: „Wir sehen das ganz gelassen.“ Zumindest nach außen hin. Erste Priorität für das DSF sei weiterhin der Sonntag, doch wenn es zu Veränderungen im Spielplan komme, sei man bereit, lässt der DSF-Chef durchblicken, auch über den Freitag zu diskutieren. Grundsätzlich will Hüther aber festhalten: „Wir zeigen mit erster und zweiter Liga über zwanzig Stunden deutschen Fußball im Free-TV pro Woche. Wir sind ein wertvoller strategischer Partner.“

Als strategische Plattform dient sich das DSF aktuell sogar dem Weltfußball-Verband FIFA an. „Wir wollen eine angemessene Rolle bei der WM 2006 in Deutschland spielen,“ sagt Hüther. Vorstellbar seien Live- Übertragungen der Vorrundenspiele am Nachmittag ohne deutsche Beteiligung. Viel Geld will und kann man dafür also nicht ausgeben. Sollte der Deal trotzdem klappen, wäre das ein weiterer Schritt heraus aus dem Dasein eines Sportsenders für jene Sportfans, die gerne den Montagabend mit Zweit-Liga-Fußball verdösen, hin zu einem breiteren, sportinteressierten Publikum.

Große Pläne in Ismaning. Derart selbstbewusste Töne hörte man dort früher selten. In der elf-jährigen Geschichte des einstigen Kirch-Senders kam dem Sportkanal allenfalls eine Ausputzerfunktion in Leo Kirchs Fernsehreich zu. Und zwar als letztes Glied in einer langen Verwertungskette von Sportlizenzen, in der nach Pay-TV und Sat 1 meist lange nichts und dann das DSF kam. Seit der Gründung 1993 bis zur Kirch- Pleite im Frühjahr 2002 häufte der Sender fast 500 Millionen Euro Verlust an. „Das Jahresergebnis war damals interessant, aber nicht so wichtig wie heute, da wir jetzt autark wirtschaften müssen,“ sagt Hüther, der es wissen muss, weil er von 1996 bis 2000 hier schon einmal Geschäftsführer war.

Seit Juni 2003 sitzt der inzwischen 40-jährige Hüther wieder beim DSF im Sattel – gleichzeitig zu seinem Job als Marketingvorstand des Rechtehändlers EM.TV. Als solcher hatte er im vergangenen Mai die Übernahme des Sportsenders aus der Kirch-Insolvenzmasse für EM.TV zusammen mit der Karstadt-Quelle-Gruppe und dem Völkl-Aktionär Dieter Cleven organisiert. Unter erhöhtem Restrukturierungsdruck, könnte man sagen, denn das einstige Börsenphänomen EM.TV steckte und steckt selbst in der Krise, wird unter Hüther und Vorstandschef Werner Klatten gerade zum Sportunternehmen umgebaut. Trotz aller Unkenrufe erweist sich die neue Konstellation für das Deutsche Sportfernsehen als erfolgreich: Seit der Übernahme geht es rasant bergauf. Der einst hoch defizitäre Spartenkanal erlebt seinen ersten Frühling.

Umsatzsteigerung um knapp 40 Prozent und Break even wurden innerhalb von sechs Monaten geschafft, Gewinne sind für das laufende Jahr in Sicht. Im Januar stieg der Marktanteil auf 1,1 Prozent. Das DSF forcierte Call-TV- und Shoppingsenderaktivitäten.

Außerhalb der Kernzeiten wandelt Hüther somit auf den Spuren des oftmals unterirdischen Mitmachsenders Neun Live und veranstaltet stundenlange Call-In-Sendungen, in denen ein flaches Sportquiz das nächste jagt. Nach Mitternacht gibt’s dafür so genannte „Sport-Clips“ zu sehen, mit anderen Worten, haufenweise junge Damen, die sich auf Radrennbahnen und Fußballplätzen ausziehen. Da bleibt Hüther nur die Offensive: „Wir haben Kernzeiten zwischen 17 und 24 Uhr sowie die Wochenenden für unsere wichtigsten Formate. Die Zeiten außerhalb dieses Slots dienen unter anderem dazu, Geld zu verdienen.“ Na gut.

Dafür wird zu den klassischen Männerfernsehzeiten das Programm ordentlich geliftet: Im April darf sich Boris Becker als Talkmaster einreihen. Ex-Nationalspieler Thomas Helmer wird durch eine „WM 2006“- Vorschau führen. Und auch im Boxen, Radsport oder Tennis hat Hüther noch einiges vor, was aber noch nicht spruchreif ist. Zu diesem hohen Tempo passt auch, dass der DSF-Chef für dieses Jahr zwei neue digitale Kanäle in Vorbereitung hat. Einer soll bereits spätestens im April loslegen und „ein leichter Sportkanal werden“. Ein zweiter DSF-Ableger mit Schwerpunkt Motorsport könnte Ende des Jahres starten. „Wir möchten überall dort präsent sein, wo DSF als Sport-Plattform und Sport-Vermarkter auftreten kann,“ fasst Schalke-Fan Hüther seine Strategie zusammen. Dass es einmal soweit kommt, hätte noch zu Kirch-Zeiten niemand für das DSF zu hoffen gewagt.

Simon Feldmer

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