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RTL steht Kopf, und nicht nur RTL: Frauke Ludowig und Katja Burkard (rotes Kleid) werden am 29. April die „emotionalsten Momente“ bei der Wedding-Sause bejubeln.

© RTL

Nieder mit dem Monarchisten-TV!: Overkill royal

Eine Frau Middleton und ein Herr Windsor: Eine belanglose Hochzeit bringt Medien und Menschen um den Restverstand. Joachim Huber jubelt nicht mit. Und was meinen Sie, liebe Leserinnen, liebe Leser?

Am 29. April findet in London eine Hochzeit statt, mehr findet nicht statt. Eine Frau Middleton und ein Herr Windsor heiraten. Kein Grund zur Aufregung. Weitermachen. Energie sparen.

Kein Grund zur Aufregung? In den Redaktionen herrscht helle Panik, Panik, dass irgendein Zuschauer, Zuhörer, Leser nicht schnell und nicht genug gefüttert wird mit dem Wedding-Quatsch. Es geht um Auflagen und Quoten, es geht ums Übertrumpfen, um den Superlativ. Der „Stern“ hat schon Ende März „Die Royals“ als fünfteilige Serie an den Start gebracht, viele Bilder und viel Text in der Tonlage „Ich dien“ (der McDonald’s-Slogan im Wappen des Prince of Wales). Die „Bunte“ hat die Kate-Middleton-Diät kreiert, von der eine ganz bestimmt nichts weiß: Kate Middleton. Das macht andere Print-Redaktionen wuschig, im Drei-Tages-Rhythmus werden die Royals um Firmenchefin Lisbeth ausgepreist.

Das wiederum hat die Elektroniker im Land aufgehetzt. Die TV-Redaktionen werfen Folder und Pressemappen auf den Jahrmarkt der Aufmerksamkeit. Der 29. April – und das muss allen Klardenkenden im Land klar sein – kennt von Punkt neun Uhr an nur noch ein Programm: die „Märchenhochzeit“ (Sat 1), die „Traumhochzeit“ (RTL), „das neue royale Traumpaar“ (ZDF), „eine Märchenhochzeit“ (ARD). Die Live-Bilder werden sich gleichen wie ein Botox-Lächeln dem anderen, also muss das Drumherum die Entscheidung in der Quotenschlacht herbeiführen.

Was Guido Knopp plappert, hat – leider, leider – einen wahren Kern

Das Erste gibt sich ganz cool. Das ist keinem republikanischen Widerstandsnest, sondern einer schlichten Tatsache geschuldet: Wenn die vier Hauptprogramme des deutschen Fernsehens so unsagbar doof sind, ein Ereignis viermal parallel zu übertragen, dann gewinnt immer das Erste. Das war noch bei jeder Katastrophe, bei jeder Bundestagswahl, bei jeder Hochzeit so. Zudem hat die ARD mit Rolf Seelmann-Eggebert den Überzeugungstäter in royalen Fragen am Start. 360 Minuten Flucht vom Stress der Realität.

Der Satz, der immer fällt, wenn Steuer-, Gebühren- und Werbegelder für die nichtsnutzigen Königs hinausgeschmissen werden, den hat sich dieses Mal ZDF-Zeitgeschichtler Guido Knopp zurechtgelegt: „Einen Augenblick lang werden Wirtschaftspolitik und Sparpolitik vergessen sein.“ Königshochzeiten seien „Volksabstimmungen“ für die Monarchie. Was Knopp da plappert, hat – leider, leider – einen wahren Kern. Viele Deutsche, wahrscheinlich die Mehrheit, sind empfänglich für pompösen Quatsch. Die stärkste Sehnsuchtsprojektion dieser Irrationalen und Angstverlorenen (Atomkraft!) war und ist Karl-Theodor zu Guttenberg, der strahlende Ritter mit dem herbeiplagierten Titel. Nun ist KT weg, jetzt kommen KM und ihr Big Willie.

Es geht um die „emotionalsten Momente“, also um alles

Wenn es um die britische „Seifenoper“ (Prince Charles) geht, fühlen sich die Privatsender zum Appell gerufen. Sat 1, so kreuzbrav wie die bevorzugte Protagonistin Jeanette Biedermann, dreht richtig durch. Bereits am 28. April und als Deutschlandpremiere rast „William & Kate – Ein Märchen wird wahr“ als „brandneues, romantisches TV-Movie“ aufs Publikum zu. 2001 also kommt der Thronfolger (Nico Evers-Swidell) an die University of St. Andrews und trifft die Bürgerliche Kate Middleton (Camilla Luddington). Was dann abläuft, endet am nächsten Freitagmorgen in der Westminster Abbey.

RTL hat erkannt, es geht um die „emotionalsten Momente“, also um alles. Alles, was bei RTL ein Mikrofon halten kann, wird nach London geschickt. Ganz vorne steht Eduard Prinz von Anhalt, der von RTL als „einziger deutscher Verwandter von Prinz Charles“ gepriesen wird. Das ist so irrelevant wie die Drama-Queen Bruce Darnell, die RTL als „den Meister der ganz großen Gefühle“ in die Gassen schickt. Dort steht längst Ross Antony. Antony war RTL-„Dschungelkönig“ und weil er ein Brite ist, wird er den Briten am Straßenrand in London mächtig auf den Zeiger gehen. RTL, das steht jetzt schon fest, wird das „damn good piece of theatre“, wie es der königliche Zeremonienmeister im Sinn hat, zu einem Mittelding aus „Love Parade“ und „Britain’s Next Topmodel“ verwursten. Der Sender gibt sich – dankenswerterweise – gar nicht die Mühe, den Kern der Wedding-Sause, als da wären Kitsch und Trash, zu verkleiden.

Diese Zeilen hier und heute kommen von einem verklemmten Miesepeter, null Humor, null Romantik, von einem aus der Null-Toleranz-Zone, sagen Sie? Nein, er kommt von einem Republikaner, der an die Errungenschaften der Aufklärung, der bürgerlichen Revolution glaubt. Bitte sprechen Sie mir nach: Nieder mit der Monarchie! Nieder mit dem Royalisten-TV! Ein Hoch auf die Tugendwächter Robespierre, auf Danton, auf Joseph-Ignace Guillotin!

Denn was droht am 2. Juli? Eben.

Und was meinen Sie? Ist die großflächige Berichterstattung zur royalen Hochzeit gerechtfertigt oder übertrieben? Kommentieren und diskutieren Sie mit! Nutzen Sie dazu bitte die einfach zu bedienende Kommentarfunktion etwas weiter unten auf dieser Seite.

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