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Medien: Nimm beide!

Die aktuelle Dienstagsfrage: Maischberger oder Kerner?

Man sollte dienstags um 23 Uhr unbedingt Maischberger einschalten, denn Kerner, der ihr im ZDF um 22 Uhr 45 Konkurrenz macht, läuft auch noch an anderen Wochentagen, und beide Talktalente sind zu verschieden, als dass man sich eines entgehen lassen dürfte. Schon im Dienste der Vielfalt und gegen den Mainstream, der sich im Fernsehen immer mehr breit macht, muss Maischberger der Vorzug gegeben werden. Nach dem verunglückten Einstand vergangene Woche hat sie jetzt gezeigt, was sie doch noch kann: um Antworten ringen, die schwer fallen, und dabei fair bleiben. Wie sie den Verschwörungstheoretiker Andreas von Bülow, der in seinem Buch behauptet, die Twin Towers seien von der CIA gesprengt worden, ins Schwitzen gebracht hat, ohne ihre Vornehmheit zu verlieren, die darin liegt, dass es ihr um die Wahrheit geht – das hatte was. Mit der Schauspielerin Katrin Saß konnte sie dann wieder lieb kuscheln, sei’s drum. Bei Ex-„Echt“-Sänger Kim Frank fuhr sie eine kleine Kralle aus. Die Gruppe schrieb ihre Songs nicht selbst. „Ganz echt wart ihr nicht.“

Und Kerner? Das Erstaunliche bei ihm ist die enorme Lockerheit, die er atmosphärisch erzeugt, trotz seines hohen Sprechtempos. Er ist die Zurückgelehntheit in Person, selbst wenn er sich an seiner Theke mal nach vorne beugt. Er scheint all seine Gäste lange zu kennen, jeder zweite Dialog hat einen „Weißt- du-noch“-Unterton. Mit Ole von Beust plauschte er wie mit einem alten Kumpel, das Interview war ein einziger Aufatmer: Gottseidank, alles ist durchgestanden.

Ähnlich das Gespräch mit Franz Beckenbauer. Auch hier wurden längst verpuffte Emotionen, deren Geruch aber noch in der Luft hängt (vor allem die Wut des Rudi Völler über abschätzige Kommentare, den deutschen Fußball betreffend) noch einmal so richtig schön breit gewalzt und nachgeschmeckt. Es ist schon seltsam, dass dieses Emo-Recycling den Leuten so viel Spaß macht. Auch Kerner hatte seinen Popstar, den „Pur“-Sänger Hartmut Engler. Und er stellte ihm tatsächlich die Frage, die an Popstars wohl millionenfach gerichtet wird: „Sind Sie süchtig nach Applaus?“ Sie sind es ja alle, auch die Leute vom Fernsehen (mit Ausnahme vielleicht von Kerner). Und obwohl es vorkommt, dass Erfolg einfach vom Himmel regnet, wissen im Grunde alle, ob sie ihn verdient haben oder nicht. Fragen nach Offenheit, Ehrlichkeit, Klarheit, Direktheit, Outing, dominieren nicht zufällig die Interviewstrategien. Es sind Fragen, die sich die Moderatoren selbst stellen.

Sandra Maischberger und Johannes B. Kerner verfolgen ihre Ziele, Menschen zum Sprechen zu bringen, mit sehr unterschiedlichen Mitteln. Maischberger ist die Frau der Spannung, Kerner der Mann der Entspannung. Maischberger sucht, Kerner lässt kommen, Maischberger zweifelt, Kerner nickt. Maischberger rutscht innerlich auf ihrem Stuhl hin und her, weil sie noch nicht ganz da ist, wo sie hin will. Kerner sitzt bequem. Man muss beide sehen. Und das heißt: dienstags ARD.

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