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Medien: Noch drei Mal

Harald Schmidt zum Abschied

Mein Glückspartikelchen

Je länger das Leben fortschreitet desto mehr begreift man, dass es im Grunde darum geht, „Glückspartikelchen“ zu sammeln, wie es Ludwig Marcuse einmal formuliert hat. Und dass man genau dafür auch bereit sein muss zu kämpfen. Nun verschwindet also mein Glückspartikelchen des deutschen Fernsehens, Harald Schmidt, aus dem Programm. Eine Kollegin aus dem eher unsensiblen Wirtschaftsressort schrieb zwar an dieser Stelle vor ein paar Tagen, man solle sich mit diesem Schmidt nicht so haben und in Zukunft halt selbst lustig sein. Selbst lustig sein? Ach, Frau Kollegin, wenn dies so einfach wäre. Gerhard Polt hat es einmal so formuliert: „Zwei Flaschen Rotwein her und die Tragödie ist sofort geschrieben. Aber eine Komödie? Das ist schwer.“

Also, Herr Schmidt, Sie wollen jetzt eine Pause machen. Das erinnert mich an Freunde, die sagen, sie fahren jetzt mal ein paar Tage alleine ans Meer, um sich über ihr Leben und eine anstehende Entscheidung klar zu werden. Nie, nicht ein einziges Mal, kam einer zurück und irgendetwas war klar. Oder: Freunde, die sich selbst finden wollen und dazu lange Reisen in seltsame Länder antreten. Als Ruinen kehren sie wieder, als menschliche Wracks, hilflos hin- und hergetrieben zwischen den Weltkulturen. Der verehrte Schriftsteller Wolfgang Hildesheimer versuchte es auch mal mit einer Pause. Was wurde daraus? Er verstummte völlig und versank in einer tiefen Depression.

Herr Schmidt, Sie wissen all das. Ihre Vorbilder waren mal Johnny Carson und David Letterman, weil sie eines gemeinsam haben: Sie machten immer weiter. Truman Capote hat in seinem Roman „Frühstück bei Tiffany“ die verschiedenen Ausprägungen einer Psychokrise „die blaue Melancholie“ und „das rosa Grausen“ genannt. Sind Sie sich sicher, dass Sie dem Grausen in Ihrer (möglichst kurzen) Leerphase gewachsen sind?

Stephan Lebert

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